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Galizien und die Brandstifter

■ Die Obrigkeit findet die Verantwortlichen für die massenhaften Waldbrände nicht, die Spaniens nordwestliche Provinz im August heimsuchten / Die Papierindustrie profitiert / In Portugal werden „os muitinacionais“ als Schuldige benannt

Aus Galizien Antje Bauer

Galizien im Sommer 1990: Es brennt. Nächtelang waren im August Feuer zu sehen, die sich die bewaldeten Hügel hinauffraßen. Flammen schlugen hoch aus den Wipfeln, der Wind trug die Rußteilchen in die Dörfer. Tags führten die Straßen an verkohlten Mondlandschaften vorbei, einige Feuerwehrleute mühten sich, die letzten glimmenden Zweige zu löschen. Allein in den ersten zwanzig Tagen des August sind in der ehemals grünen Lunge Spaniens mehr als 2.000 Brände ausgebrochen, im vergangenen Jahr sind 62.000 Hektar Wald den Flammen zum Opfer gefallen. Für ganz Galizien stehen insgesamt zwei Löschflugzeuge zur Verfügung.

Über die Gründe für das plötzliche Anwachsen dieser Plage streiten sich die Geister. Die Behörden weisen die Schuld gern der Mutter Natur zu, die auf die sonst ewig regnerische Provinz seit zwei Sommern keinen Tropfen Regen fallen läßt. In den ausgedörrten Wäldern richten auch Glasscherben, die sich tückisch in Lichtbündler verwandeln, sowie glimmende Zigarettenkippen bislang unbekannten Schaden an. Etwa 80 Prozent der Brände, das gibt auch die galizische Landesregierung zu, soll jedoch absichtlich verursacht worden sein - von Bauern, die nach althergebrachter Art ihr Feld abbrennen und die Kontrolle über das Feuer verlieren oder am Nachbarn durch einen Brandanschlag für erlittene Schmach Rache nehmen, sowie von schlichten Pyromanen.

Einer, der das alles nicht mehr glaubt, ist der galizische Landwirtschaftsminister, Jose Manuel Romay Beccaria. Ein Bande Krimineller sei für die vielen Brände verantwortlich, ventiliert er seit einigen Wochen. Als Beweis führt er an, daß an verschiedenen Brandstellen Zündkabel gefunden wurden, die eine Brandlegung an mehreren Stellen gleichzeitig ermöglicht. Die Brände brächen zumeist nachts und an mehreren Stellen gleichzeitig aus. Bereits zuvor hatten Dorfbewohner von Flugzeugen berichtet, die beim Flug über Wälder Sprengkörper abgeworfen hätten. Um wen es sich bei diesen Banden handeln könnte, vermag Romay Beccaria nicht zu sagen. Die 55 mutmaßlichen Brandstifter, die in diesem Jahr festgenommen worden sind, befinden sich inzwischen wegen Beweismangels alle wieder auf freiem Fuß. Allein in linken Kreisen kursiert ein Verdacht, der in Nordportugal, das von der selben Plage befallen ist, deutlich ausgesprochen wird: „Os muitinacionais“, die Multis, seien für die Brandstiftungen veranwortlich, erklärt ein Bauer eines 100 -Seelendorfs der taz. In Portugal wurde aufgrund dieses Verdachts im August ein neues Gesetz verabschiedet. Es legt fest, daß ein Waldgelände, das gebrannt hat, zehn Jahre lang weder verkauft noch bebaut werden darf. Die Zielrichtung scheint klar.

Wenn man auch nicht weiß, wer die Brände legt, so ist zumindest eindeutig, wer davon profitiert: die Holzkäufer. Denn was da besonders schnell und eifrig brennt, sind nicht die ursprünglichen galizischen Mischwälder aus Eichen, Eschen, Haselnußsträuchern und Birken, sondern schnellwachsende, für die Holzverarbeitung nutzbare Monokulturen aus Pinien und Eukalyptus, die seit den 40er Jahren zunehmend angebaut werden und inzwischen etwa 80 Prozent des galizischen Waldgebiets ausmachen. War zunächst die Pinie der Spitzenreiter, so holt in den letzten Jahren der Eukalyptus zunehmend auf: Mehr als 200.000 Hektar Eukalyptusplantagen gibt es in Galizien. Der Brand einer Eukalyptusplantage hat zwei Vorteile: Zum einen fördert die Hitze das Keimen der Eukalyptussamen, so daß sich danach die Sprosse vervielfachen, zum anderen ist das Holz, obwohl zu 80 Prozent wiederverwertbar, danach nur noch halb so teuer weil es vorm Verfaulen bewahrt und deshalb schnell verkauft werden muß. Die Holzindustrie ist bislang in Galizien mit einer stinkenden Papierfabrik in Pontevedra vertreten, soll aber, wenn es nach dem Willen der Industriellen geht, um zwei weitere Werke bereichert werden. So will die finnische Firma Tampena gemeinsam mit einer spanischen Firma in La Coruna eine Papierfabrik bauen. Des weiteren hat ein Firmenkonsortium namens Eurogalicia Forestal die Errichtung einer weiteren Papierfabrik in As Pontes (Provinz La Coruna) beantragt. An der Eurogalicia Forestal ist maßgeblich die bundesdeutsche Firma Feldmühle beteiligt. In ihrem Werk Baiendorf im Kreis Ravensburg hatte Feldmühle in den vergangenen Jahren erhebliche Schwierigkeiten mit den Behörden wegen krebserregender Chlorverbindungen in den Abwässern. Nach Firmenangaben soll im spanischen Werk ein Bleichverfahren eingesetzt werden, das überhaupt keine Chlorverbindungen mehr enthält. Dieses Verfahren läuft gerade in einem Pilotversuch. Umweltschützer in Spanien fürchten jedoch, daß die Feldmühle die mangelnde Umweltschutzkontrolle in Spanien auszunutzen versucht und ihre alten Maschinen dort installiert. Auch wenn die Umweltbelastung niedrig gehalten werden sollte unbestreitbar ist der wachsende Holzbedarf, den die Papierfabriken mit sich bringen. In der Landesregierung von Galizien ist die Rede von 15.000 Hektar zusätzlichem Eukalyptuswald, den die beiden Fabriken brauchten. Umweltschützer setzen die Zahl auf 200.000 Hektar an.

Unübersehbar ist, daß sich Nordspanien und -portugal in die Papierfabrik Europas verwandeln sollen, um dem ewigen Papiermangel der EG abzuhelfen. Auf die gewachsene Landschaft wird einmal mehr zugunsten einer fragwürdigen Industrialisierung verzichtet. Inzwischen brennen die Wälder.

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