Aufregung um mysteriöse Kisten bei MBB

■ Menschenrechtsorganisation auf den Spuren von Waffengeschäften / Vertreter inspizieren Außenlager von MBB, um auf Verwicklung des Rüstungskonzerns im Golfkrieg hinzuweisen / Liefert MBB Ersatzteile für Kampfhubschrauber in den Irak?

Von Luitgard Koch

Ottobrunn (taz) - Die graue Lagerhalle, wenige Meter vom S-Bahnhof Höhenkirchen, ist unscheinbar. Das weißgestrichene Gittertor bei der Einfahrt steht offen. Kein Firmenemblem deutet darauf hin, daß hier der größte deutsche Rüstungskonzern, MBB, ein weiteres Auslieferungslager besitzt. Die Stahltür oberhalb der Ladungsrampe öffnet sich. „Wir sind von der Gesellschaft für bedrohte Völker“, erklärt ein älterer Herr. Verdutzt läßt ihn der Lagerarbeiter eintreten. Auf den Regalen stapeln sich versandfertige Pappkartons. Auch mehrere blaue Fässer stehen rum. „Central Bank of Iraq Baghdad Military Accounts“, lautet die Aufschrift der Kisten. Reparierte Ersatzteile für Kampfhubschrauber, vermutet der Bundesvorsitzende der „Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch. Nach Erkenntnissen der Menschrechtsorganisation lieferte MBB seit 1978 bereits 60 Hubschrauber, die in Österreich bei der Firma Denzel und in Spanien von der Firma Casa zu Kampfhubschraubern umgerüstet wurden, in den Irak.

„Des san alles Teile von Rettungshubschraubern“, versucht der Lagerarbeiter im blauen Arbeitskittel zu besänftigen und fuchtelt mit den Armen. Immer wieder erklärt er, daß nach dem verordneten Embargo Anfang August keine Lieferung abgeschickt worden sei. „Alle ham's doch g'liefert“, verteidigt sein Kollege plötzlich und zuckt mit den Schultern. Eine Kiste wird geöffnet. Styroporteilchen quellen heraus. Die Kameras surren. Die Vertreter der Menschenrechtsorganisation haben genug gesehen. Mit ihrer Aktion wollen sie beweisen, daß MBB nicht nur auf Umwegen, sondern direkt Ersatzteile für ihr Kriegsmaterial in den Irak schickte. Von seiten der kurdischen Widerstandsbewegung des Irak sei außerdem glaubwürdig versichert worden, daß am 28. August 1988 MBB-Kampfhubschrauber am Angriff der irakischen Streitkräfte auf die mit 3.000 kurdischen und assyrisch-christlichen Flüchtlingen volle Schlucht von Bazeh an der irakisch-türkischen Grenze beteiligt waren. „Seit Juli baut MBB im Irak eine eigene Hubschrauberwerkstatt für die Iraqi Air Force auf“, weiß der Nahost-Koordinator der Menschenrechtsorganisation, Alexander Sternberg-Spohr. Fünf MBB-Techniker sind immer noch dort, so die Informationen aus zuverlässiger Quelle. Angestellte von MBB behaupten, so erzählt Tilman Zülch, daß alle diese Geschäfte durch Hermes -Bürgschaften der Bundesregierung abgesichert und somit für die Firma risikolos seien.

Vor der Lagerrampe im Innenhof haben sich die Göttinger und Münchner Gruppe der Menschenrechtsorganisation zur Mahnwache aufgestellt. Sie entrollen ihre Transparente. In der Eile hat sich ein Fehler eingeschlichen. „Hrubschrauber“ heißt es auf einem der Spruchbänder. Der MBB-Werkschutz informiert die Polizei. Als die kommt, haben die Besetzer ihre Aktion bereits beendet. Trotzdem werden sechs von ihnen zur Personalienfeststellung auf die Wache geschleift und dort zwei Stunden festgehalten. Für die Menschenrechtler ist die Reaktion der Polizei absurd. Statt ihre Funde zu sichern und zu bestätigen, betreibt die Polizei erst einmal „Spurensicherung des Einbruchs“. Am Abend werden dann im Beisein von MBB-Angehörigen und Polizei weitere Kisten geöffnet. Inzwischen ermittelt jedoch die Staatsanwaltschaft am Landgericht MünchenI gegen die Daimler-Benz Tochter MBB. Grund: Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Aber auch gegen die Mitglieder der Menschenrechtsorganisation laufen Ermittlungsverfahren.

Der Konzern reagierte wie zu erwarten. Sein Sprecher Evers betonte, daß von MBB in den Irak gelieferte Hubschrauber nicht für bewaffnete Einsätze geeignet seien. „Wie bei Luftfahrtaufträgen üblich, sichert MBB den Kunden durch eine regelmäßige Ersatzteilversorgung die Betriebsbereitschaft dieser Hubschrauber“, heißt es in der Erklärung. MBB habe sofort nach den von der UNO beschlossenen Wirtschaftssanktionen, den Maßnahmen der EG und der Entscheidung der Bundesregierung vom 6. August die Handelsbeziehungen zum Irak gestoppt.