100 Tage „Magi-Senat“ in Berlin

■ Halbzeitbilanz mit Hymnen auf beide Berliner Stadtregierungen / Ost-Berlin dürfe nicht zur „Metropole der Sozialausgaben“ werden

Von CC Malzahn

Berlin (taz) - Der Ostberliner Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) hat gestern eine Halbzeitbilanz von 100 Tagen Magistratsarbeit gezogen und die „gute Zusammenarbeit“ der beiden Berliner Stadtregierungen über den schwarz-rot -grünen Klee gelobt. Denn seit Juni arbeiten Westberliner SenatorInnen von Alternativer Liste und SPD mit Christ- und Sozialdemokraten der Ostberliner Stadtregierung im sogenannten „Magi-Senat“ zusammen.

Tino Schwierzina pries in den höchsten Tönen den „offenen und reibungslosen Umgang“ der De-facto-Regierung und blickte hämisch auf die von Koalitionskrisen geschüttelte DDR -Regierung. Daß es im rot-grünen Senat permanent und in seiner schwarz-roten Regierung ebenfalls des öfteren gehörig im Gebälk gekracht hat, erwähnte der gelernte Wirtschaftsjurist lieber nicht.

„Niemals hat eine Berliner Stadtregierung unter solchem Entscheidungsdruck gearbeitet“, erklärte der Oberbürgermeister und verglich seine Arbeit mit einem Marathonlauf, den man in einem bei 100-Meter-Sprints üblichen Tempo durchlaufen müßte. Trotz Schwierigkeiten fand Schwierzina steten Anlaß zum Optimismus: Zufrieden zeigte sich der OB mit der Bewältigung des Zwölf-Punkte-Programms, das er im Juni mit seinem siamesischen Zwilling Walter Momper der Öffentlichkeit präsentiert hatte. Dazu gehört unter anderem die Beseitigung der innerstädtischen Mauer, die Wiederanbindung von über hundert Straßen sowie die Öffnung jahrzehntelang geschlossener U- und S-Bahnstationen

-wie den alten U-Bahnhof am Alexanderplatz oder die Station „Unter den Linden“ sowie die Klärung der Haushaltssituation Ost-Berlins. Im selben Atemzug warnte Schwierzina vor einem wirtschaftlichen und sozialen Gefälle von West nach Ost. Ost -Berlin dürfe nicht zur „Metropole der Sozialausgaben“ werden.

Entscheidend seien jetzt schnelle Investitionen und umfangreiche Qualifizierung. Er verwies auf ein arbeitsmarktentlastendes Sonderprogramm des Magistrats mit einem Umfang von 12,1 Millionen Mark. Für die Sicherung von Arbeitsplätzen sei auch die Hauptstadtfrage von großer Bedeutung. Eine Entscheidung gegen Berlin als Sitz von Parlament und Regierung würde den Verlust Zehntausender Arbeitspätze in einer ohnehin wirtschaftlich angeschlagenen Region und den Verlust der wichtigsten überregionalen Funktionen bedeuten.

Schwierzina kritisierte „ein gewisses Unverständnis“ von seiten der DDR-Regierung gegenüber den Bedürfnissen der Stadt. Dabei hätte Berlin nicht allein gestanden, „alle Städte und Gemeinden haben ihre liebe Not mit immer noch vorhandenen zentralistischen Unarten der DDR-Regierung“. Diese seien besonders augenfällig bei der Aufteilung des ehemals volkseigenen Vermögens. Berechtigte Ansprüche der Städte würden schlicht nicht berücksichtigt, das Vermögen zur Sanierung der zentralen Haushalte herangezogen. Die Städte würden somit der finanziellen Aussichtslosigkeit überlassen. Weiter kritisierte er die „absurden Regelungen“ in Sachen Abtreibung und Promillegrenze im durch die Rechtsprechung geteilten Berlin.