SPD: Kritik an Amnestie von DDR-Spionen

■ Bundesratsmehrheit ist dagegen, auf die Schnelle DDR-Agenten Straffreiheit zu gewähren Einigungsvertrag zugestimmt / Gesetz zur Dauer des Wehr- und Zivildienstes Abfuhr erteilt

Von Tina Stadlmayer

Bonn (taz) - Als die gewichtige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Agnes Hürland, sich auf ihrem Sessel im Bundesrat niederlassen wollte, brach der krachend zusammen. Alles lachte, und der Berliner Regierende Walter Momper ulkte über „den maroden Zustand des Bonner Bundesrates“. Auch sonst ging es in der Länderkammer gestern weniger harmonisch zu als üblich. Geschlossen stimmten zwar alle VertreterInnen im ersten Durchgang dem Einigungsvertrag mit der DDR zu, zwei anderen Entwürfen der Bundesregierung erteilten die SPD-regierten Länder jedoch eine Abfuhr: Dem Gesetz zur Dauer des Grundwehr- und des Zivildienstes und dem Amnestiegesetz für ehemalige DDR-Spione.

Beide Vorlagen sollten Anfang Oktober zum Vereinigungstermin der DDR feierlich in Kraft treten. Daraus wird jetzt nichts. Allerdings: Der Bundesrat mit seiner Mehrheit von SPD-regierten Ländern kann keines der beiden Gesetze verhindern. Wenn der Bundestag, wie zu erwarten, den Regierungsvorlagen zustimmt, wird der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anrufen - das verzögert die Verabschiedung, blockiert sie jedoch nicht endgültig.

Agnes Hürland berichtete für die Bundesregierung, die Wehrdienstzeit werde ab 1. Okober auf 12 Monate, die Zivildienstzeit auf 15 Monate verkürzt. Die unterschiedliche Dauer erklärte sie so: „Der Kriegsdienstverweigerer bringt durch Ableisten des längeren Zivildienstes die Ernsthaftigkeit seiner Gewissensentscheidung ein.“ Im Klartext: Wer verweigert soll dafür büßen. Der Bremer Justizsenator Volker Krönig plädierte dagegen für die gleiche Dauer von Wehr- und Zivildienst.

Nicht mehr das Militär, sondern „Aufgaben der Friedensentwicklung in sozialer und ökologischer Hinsicht“ hätten jetzt den Vorrang. Angesichts der Ost-West -Entspannung habe ein längerer Zivildienst jeden Sinn verloren. Auch das Argument, Soldaten müßten schließlich Wehrübungen machen, zähle nicht. Denn: Diese dauern im Schnitt nur drei bis fünf Tage. Krönig schlug vor, Bundeswehr und Zivildienst neu zu gestalten und vielleicht sogar, „das Prinzip des freiwilligen Dienstes“ einzuführen.

Auch beim zweiten spannenden Punkt, der geplanten Amnestie für DDR-Spione, wollten die SPD-Länder und das christlich -liberal regierte Rheinland-Pfalz nicht mit der Regierung ziehen. Die Berliner Justizsenatorin Jutta Limbach wandte sich dagegen, auf die Schnelle DDR-Agenten Straffreiheit zu gewähren. Ein solches Gesetz müsse gründlich ausgearbeitet sein. Straftäter „in pazifistischer Absicht“, zum Beispiel BlockiererInnen von militärischen Einrichtungen, sollten ebenso amnestiert werden wie Spione. Wer in der DDR „Taten gegen das sozialistische Eigentum“, also Diebstahl, begangen habe, sei häufig drakonisch bestraft worden. Auch dieses Unrecht müsse wieder gutgemacht werden.

Der nordrhein-westfälische Justizminister Rolf Krumsiek forderte, den Radikalenerlaß endlich zu streichen. Außerdem halte er es für ungerecht, daß nach dem Entwurf der Bundesregierung Führungsoffiziere des DDR -Nachrichtendienstes uneingeschränkt straffrei ausgehen, ihre Helfer in der Bundesrepublik dagegen nur eingeschränkt.

Justizminister Engelhard verteidigte seinen Gesetzentwurf. Ohne Amnestie müßten bereits am Tag des Beitritts jede Menge Agenten verhaftet werden. Immerhin hätten die doch „für ihr Land“ spioniert. Über Straffreiheit für „Sitzblockierer“ und „Fälle der allgemeinen Kriminalität“ sei mit ihm nach dem 3. Oktober durchaus zu reden.

Der Bundesrat will am 21. September in einem zweiten Durchgang den Einigungsvertrag endgültig verabschieden.