Verebbende Wutwellen

■ Das Bremerhavener Radio-Projekt „Wutwelle“ bilanzierte sich am Wochenende

„Eigentlich müßten die Wutwellen ganz hoch schlagen,“ sagt die Lehrerin Christiane Rindchen, eine der unermüdlichen Aktivistinnen des Radio-Projekts „Wutwelle“, das am Wochenende in Bremerhaven - auf dem Hof der Volkshochschule

-zum Tag der

offenen Tür gerufen hatte. Gekommen waren trotz großer Werbung nicht mehr als einige Dutzend Insider.

Das aus Rundfunkgebühren von der Landesmedienanstalt finanzierte Projekt hat den Weg in eine größere Bremerhavener Öf

fentlichkeit nicht gefunden, und vom nächsten Jahr an sollen die bisher bereitgestellten Gelder in die Infrastruktur des Offenen Kanal fließen. Christiane Rindchen ist enttäuscht und spricht von einem „Abgesang“. Für sie war die „kleine Öffentlichkeit“ der samstags in Radio Bremens drittem Hörfunk-Programm ausgestrahlten Sendung weniger wichtig als die interne Verständigung der an der Wutwelle beteiligten Initiativen und EinzelgängerInnen.

Die Projektkoordinatorin Ingrid Scheldt ist zufrieden: In den eineinhalb Jahren seit der ersten Sendung kamen 97 Beiträge von 23 kulturellen und soziopolitischen Initiativen. Alle Projekte (bis auf ein wegen fehlenden BHV -Bezugs abgelehntes) erhielten zwischen 100 bis 2 000 DM Zuschuß. Damit wurden die Sendungen zur Jugendszene, zum Streit um das U-Boot-Museum und zur mißlichen Lage des Alternativ-Zentrums „Rotersand“ finanziert; drei Frauen formierten sich zum „Fischtown-Furien„-Kabarett, und ein Werftarbeiter schrieb eine Liebeserklärung an die sterbende Stadt. Mit den Geldern wurden aber auch auswärtige Theatergruppen, Liedermacherinnen und andere KleinkünstlerInnen finanziert.

Mit der Einrichtung des Offenen Kanals, sagte Uwe Papart, seit kurzem Beauftragter des OK

im Land Bremen, könne diese Form der indirekten Kulturförderung nicht mehr weitergehen. Hinter den Kulissen hatte sich großer Streit angebahnt, aber jetzt sprechen die Beteiligten von Lösungen. Horst von Hassel, Kulturdezernent, hofft, beide Ansätze „miteinander verzahnen“ zu können: „Im Hörfunk Wutwelle, im TV Stadtfernsehen.“ Parpart zeigte sich kooperationswillig und bot der Wutwelle einen Sendeplatz im Rahmen des Offenen Kanals an. VHS-Leiter Uwe Mögling möchte das von Radio Bremen gestellte Wutwellen -Studio als Radiowerkstatt im Angebot der Volkshochschule behalten. Kritische Töne kamen von Albrecht Willer, Planer für Kulturelle Breitenarbeit im Kulturamt. Sein Fazit: Der Wutwelle sei es nicht gelungen, Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die Sendungen hätten wenig kommunalpolitischen Sprengstoff gehabt, das hänge auch mit dem 100prozentig rezipientengeschützten Sende platz zusammen.

Sprengstoff gab es am Sonnabendnachmittag, als die Fischtownfurien Horst von Hassel baten, ein ihm nicht bekanntes Denkmal zu enthüllen: „Zigeuner mit Sohn“, in der Haltung des kitschigen Bremerhavener Auswandererdenkmals, auf dessen Sockel steht „Die Abgeschobenen“.

hh