Blitzsaubere Rauchgaswäsche im Kohlekraftwerk

■ Tag der offenen Tür im neuen Hastedter Blockheizkraftwerk / Bremer Konsequenz der Katastrophe von Tschernobyl

Einige tausend BremerInnen setzten sich am Samstag einen Helm auf, stopften Watte in die Ohren - und verschwanden in Hitze und

Gedröhn des neuen Blocks 15 des Hastedter Kraftwerks. Zu sehen gab es da Umwelttechnik für gute 100 Millionen Mark. Zum Bei

spiel den zehn Meter hohen Gipshaufen: Bis zu zweieinhalb Tonnen der gelben Kügelchen fallen pro Stunde aus der Rauchgaswä

sche des neuen Kohlekraftwerks. Gebunden haben sie dann vor allem den Schwefel, der früher den Qualm aus den Kraftwerkschloten gelb färbte.

Umwelttechnik scheint eine saubere Sache zu sein: Blitzende Rohre und Armaturen, staubfrei gefegte und gewischte Hallenböden, polierte Maschinen, aufgeräumte Mitarbeiter so präsentierte sich das Kraftwerk am Tag der offenen Tür. Zum Beispiel die Einsammlung der Flugasche: Die Hallendecke steht unter 30.000 bis 70.000 Volt Spannung. Aller Staub, der dort elektrostatisch angezogen wurde, wird ab und zu unter ohrenbetäubendem Rütteln in große Trichter geschüttelt. Aus dem Staubsilo hollen Laster die Flugasche zum Auffüllen stillgelegter Bergwerkstollen oder als Füllstoff in die Baustoffproduktion. Aber vom Anziehen, Abschütteln, Einsammeln und Abtransportieren der Flugasche ist nichts zu sehen. Die Halle mit den

Elektrofiltern ist staubfrei.

Eher unscheinbar gegen die riesigen Hallen der Rauchgaswäsche ist das eigentliche Herz des Kraftwerks, die Turbinenanlage. Bis zu 130 Megawatt Strom und zusätzlich noch Fernwärme für Daimler Benz und einen Teil des Bremer Ostens werden dort produziert, gesteuert von einer Handvoll Kraftwerk-Angestellten.

Das moderne Blockheizkraftwerk, in dem die Energie der Kohle bis zu 80 Prozent ausgenutzt wird, hat Bremen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zu verdanken. Erst die neue Anti-AKW-Bewegung auf der Straße und in den Köpfen der Politiker und Stadtwerke-Manager kippte den 1985 fest vereinbarten Plan, in Hastedt lediglich 51 Megawatt zu produzieren und den Rest vom Atomstrom-Konzern PreAG dazuzukaufen. Doch dieser Teil der Geschichte des „Blocks 15“ wurde am Tag der offenen Tür

nur am Rand erwähnt. Und die Lücke, die seit dem Abriß des alten Wasserkraftwerks schräg gegenüber auf der anderen Weserseite gähnt, war überhaupt kein Thema.

Dafür gab es - nachdem der Helm vom Kopf und die Stöpsel wieder aus den Ohren waren - am Ende des Rundgangs alle Informationen nochmal zum Nachlesen und für eine kleine Spende an das Rote Kreuz auch die bebilderte Geschichte des 1904 eröffneten Hastedter Kraftwerks als Buch.

Ase