Scheinheilige Medienmeute

■ Der RIAS, Jugendradio DT64 und die gesamtdeutsche Rundfunk-Debatte

Letzte Woche waren sie wieder alle versammelt zum medienpolitischen Stelldichein, diesmal ausgerichtet von der Konrad-Adenauer-Stiftung im symbolträchtigen Ambiente des Berliner Reichstages. Tagesthema: die Neustrukturierung der Medienlandschaft im Zuge der deutsch-deutschen Vereinigung. All die rundfunkpolitischen Meinungsführer vom unentschlossenen DDR-Medienminister Müller, über den CDU/CSU -Medienspezi Neumann, dem selbstzufrieden ZDF-Intendanten Stolte, den aufrichtigen aber durchsetzungsschwachen DFF -Intendanten Albrecht bis hin zum scheinheiligen RIAS-Chef Drück und seinem geheimen Verhandlungspartner Singelnstein, dem gerade neu ernannten DDR-Hörfunkintendanten. Und wieder wurden, wie man es von den unzähligen medienpolitischen Kongressen der letzten Monate kennt, das hohe Lied der Meinungsfreiheit besungen, das sich in den bewährten westlichen Rundfunkmodellen ausdrückt.

Wie es um die Zukunft der deutschen Medienlandschaft bestellt ist, konnte und wollte keiner der Herren so konkret sagen. Nur so viel ist klar, alle unternommenen Schritte in Richtung Vereinigung zweier so unterschiedlicher Rundfunklandschaften - ehemals parteigelenkte zentralistische Propagandasender im Osten, duales öffentlich -rechtliches plus privates Rundfunksystem im Westen - müssen mit größtmöglicher Behutsamkeit, mit großem Verantwortungsbewußtsein und vor allem auf breitester Basis diskutiert werden. Oberste Maxime: Errichtung föderaler, demokratisch kontrollierter Strukturen. Das heißt im Klartext, die zukünftigen Länder auf ehemaligem DDR-Gebiet bestimmen durch Mediengestze, die sie in ihren Parlamenten verabschieden, selbst, wie und wo es langgeht. Und bloß kein medienpolitischer Kolonialismus von Seiten des großen Bruders BRD. Darum zogen die Medienherren auch alle die Stirn in Falten, als es um die Frage konkreter Umstrukturierungspläne für die maroden DDR-Sender ging. Wir können doch nicht im Vorgriff auf die Länderentscheidungen schon irreversible Tatsachen schaffen, hieß es unisono. Im Reichstag blieb es denn auch bei allgemeinen Phrasen, wobei die westdeutschen Vereinnahmungsgedanken und die ostdeutschen Anbiederungsstrategien so ganz jedoch nicht im verborgenen blieben.

Drei Tage später nun haben derselbe RIAS-Intendant und derselbe DDR-Hörfunkchef, die auf dem Medienhearing so ahnungslos taten, einen aberwitzigen Coup zu landen versucht. RIAS sollte quasi über Nacht einen Großteil der Frequenzen des DDR-Jugendradios DT64 übernehmen, das damit nur noch in vereinzelten Regionen der DDR zu hören gewesen wäre. Gottfried lob, der Medienminister hat die Geheimaktion noch einmal rückgängig gemacht. Offensichtlich bleibt jedoch, wie scheinheilig die Lippenbekenntnisse der Medienstrategen sind. Die DT64-Haltung ist dabei noch zu verstehen, sind doch die Rundfunkmacher, was medienpolitische Taktiken angeht, reichlich unbedarft. Die Angst vor der ungewissen Zukunft und die finanzielle Misere treiben so manchen DDRler zu unüberlegten Handlungen. Und offensichtlich hatte RIAS-Chef Drück DT64 mit der Beschäftigungsgarantie einen Teil der Mitarbeiter geködert. Aber einem alten Medienhasen wie Drück hätte man doch ein wenig mehr Weitblick und Contenance zugetraut. Schließlich werfen alle bundesdeutschen Rundfunkanstalten, die Privaten eingeschlossen ein begehrliches Auge auf das ostdeutsche Wellenmeer. Und wehe, wenn da einer aus der Reihe tanzt und zu früh und noch dazu ohne eindeutige Absprachen dort fischen geht. Den trifft der neidische Haß der anderen. Aber noch sind längst nicht alle medienpolitischen Pokerblätter aufgedeckt. Während jetzt alles empört auf den Berliner Skandal blickt, werden andernorts schon wieder andere Pläne ausgeheckt. Der bayrische Rundfunk mit Sachsenradio, der HR mit Thüringen, RTL mit... Bis alles verteilt ist.

Ute Thon