DDR-Militärs sägen am eigenen Ast

In Dresden wird ein Institut zur Konversion aufgebaut/ Eppelmann gab seinen Segen/ „Hoffentlich gibt Stoltenberg das Geld“/ Wissenschaftliche Arbeit für ein entrüstetes Deutschland  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Dresden (taz) — Der Minister für Abrüstung und Verteidigung, Rainer Eppelmann, unterschrieb den Befehl zur „Aufstellung des Instituts zur Konversion der Streitkräfte an der Militärakademie Friedrich Engels in Dresden“ und verlieh somit den seit Juni laufenden Vorbereitungsarbeiten einer Gruppe von Offizieren und Zivilisten einen offiziellen Status.

Erste Überlegungen, sich wissenschaftlich mit der Konversion zu befassen, hat es nach Auskunft von Institutsdirektor Dr. Christian Machon bereits in der Zeit der „einseitigen Abrüstungsschritte in der Honecker- Ära“ gegeben. Damals seien durchaus begrüßenswerte Schritte zur Abrüstung unternommen worden, die aber von politischem Plakatismus überschattet waren. Demzufolge fehlten auch zeitgemäße Konversionsstrategien. Hierzu an der Militärakademie sowie der Hochschule für Ökonomie und im Institut für Politik und Wirtschaft gemachte Erwägungen blieben so ein in der Vergangenheit „nicht immer gerngesehenes Stückwerk“. Im Herbst '89 begann sich eine Gruppe von Offizieren und Zivilisten in einem interdisziplinären Arbeitskreis Sicherheitspolitik mit der Konversion der Streitkräfte intensiv zu beschäftigen. So entstand die Idee des Instituts. Auch mit der Arbeitsgruppe „Entmilitarisierung der Gesellschaft, hervorgegangen aus der Bürgerbewegung „Gruppe der 20“, und mit der christlichen Initiative für internationales Lernen wurde beizeiten kooperiert.

Warum sich nun das Konversionsinstitut ausgerechnet an der Spitzenschule der NVA etabliert, begründet der zivile Direktor damit, daß einerseits militärischer Sachverstand gebraucht werde, zum anderen der moralische Anspruch es gebiete, öffentlich zu zeigen, daß auch die Militärs bereit sind, am eigenen Ast zu sägen. „In der Form, wie sich der Prozeß der Abrüstung als politische Entscheidung auf dem Weg zur gemeinsamen Sicherheit qualitativ und quantitativ erweitert, stellt sich auch die Frage nach seiner sozialökonomischen und ökologischen Verträglichkeit. Wenn wir heute keine sozialverträglichen Wege für 65.000 entlassene Berufssoldaten finden, ist vorauszusehen, daß es in zwei Jahren heißt: Konversion geht nicht.“ Dr. Machon warnt vor dem Irrtum, Konversion könnte sofort ökonomische Mittel für andere Aufgaben freisetzen. Zuerst kostet Konversion Geld, und sie belastet aufs neue die Umwelt.

Deshalb setzt das Institut bei Forschungen, Konversionsstrategie sowie sozial- und sicherheitspolitischen Bedingungen an, die personelle, regionale und technische Konversion erfordern und beeinflussen. Seine Funktion bestimmt das Institut in der Koordinierung der Forschung zum Thema, vor allem aber will es zu politischen Entscheidungen im Ministerium durch Alternativkonzepte beitragen. Nationale und internationale Erfahrungen werden gesammelt und analysiert und eigene Ergebnisse allen Ländern zur Verfügung gestellt. Ob nach dem 3. Oktober die Bonner Hardthöhe Wert auf solche Ratschläge legen wird, kann niemand voraussagen. Zumindest ist das Institut optimistisch. Tatsache bleibt die in Aussicht gestellte Reduzierung der gesamtdeutschen Streitkräfte, die sich für die Bundeswehr zwar anders als für die NVA, aber doch auch in unbekannter Kompliziertheit darstellt. Den immer wieder erhobenen Verdacht, nur das Feigenblatt für eine qualitative Aufrüstung zu sein, will das Institut möglichst schnell mit praktischen Arbeitsergebnissen entkräften. Mit dem sächsischen Friedensforum ist sich das Konversionsinstitut einig, daß sich die neugeschaffene Einrichtung in die zivile Friedensbewegung einbringen und sich einer parlamentarischen Kontrolle stellen muß, um gesellschaftliche Akzeptanz zu gewinnen.

„Eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen und der Landesregierung ist ebenfalls notwendig. Nicht zuletzt deshalb, weil in wirtschaftlich schwachen Regionen des Großraumes Dresden ein im Osten Deutschlands beispielloses militärisches Ballungsgebiet aufzulösen ist.

Minister Eppelmann gab seinen Segen für die Einrichtung. Paradox: Im Verteidigungshaushalt des zweiten Halbjahres ist keine D-Mark für Konversion vorgesehen. Das Institut muß das ihm zustehende Geld hinter vielen Einzelpositionen entdecken.

Bleibt die Hoffnung auf Stoltenberg und auf einen Platz für Konversion in gesamtdeutschen Streitkräften. „Wenn wir in der ehemaligen DDR die Möglichkeit einer sozial, ökonomisch und ökologisch verträglichen Konversion belegen, dann haben wir die Chance, sie auch in die deutsche Abrüstung einzubringen“, erklärte der Institutsdirektor.