„Was für Hofentoge?“

■ Eine kam durch: Hafentage in Bremen vom 10. bis 14. September

Hafentage 1990 — Assoziationen von blauem Himmel, strahlender Sonne, tutenden Schiffssirenen und Menschenansammlungen drängen sich auf.

Regenumpeitscht pilgerte gestern eine einsame Reporterin die Kap-Horn-Straße entlang, eine Straße im Bremer Industriehafen, um die Hafentage 1990 zu beobachten. Für fünf Tage haben Speditionen, Lagerbetriebe, Ausbildungsstätten und Verarbeitungsbetriebe im Hafen ihre Türen geöffnet, um neugierigen BremerInnen ein Stück ihrer Heimat näherzubringen.

Eigentlich hatte sie den Getreide-Saugheber anschauen wollen. Das ist ein riesiges Rohr, das die Ernte direkt vom Schiff in die Mühle saugt und dort den Mühlsteinen (?) ausliefert. „Heinrich!“ hatte der Müller am Telefon seinen Kollegen gerufen, „weißt Du was von diese Hofentoge?“

Zweites Programm-Angebot: Faßfabrik Alfred Krogemann. Er erklärt der tropfenden Reporterin das Handwerk des Böttchers.

Gemeinsam mit einem jungen Ehepaar betritt sie die Werkstatt. Die beiden wollen eine Regentonne für den Garten kaufen. „Holz oder Plastik?“, fragt Herr Krogemann. „Plastik! “ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Diese Plastikdinger kauft Herr Krogemann gebraucht, weil, wie er sagt, manche Leute lieber Plastik wollen.

Die richtigen Fässer werden aus Eichenholz gefertigt. Das wird in dicke, schmale Bretter geschnitten und oben mit einer Eisenschelle zusammengehalten. Das halbfertige Faß spreizt sich nach unten wie ein Baströckchen. Wie bekommt das Faß seinen Bauch? Wenn es in einer Art riesigem Backofen eine halbe Stunde in Wasserdampf gekocht worden ist, läßt es sich das Biegen gefallen. Die Böden — mit Schilf abgedichtet — werden eingesetzt, die untere Schelle drumherum gespannt, und das Faß ist fertig.

Die Fässer, die der Geselle von Herrn Krogemann gerade bearbeitet, sollen Zierfässer für die Firma Mövenpick werden. Er hat auch Sauna-Fußwannen angefertigt, in denen ein Gemüsehändler im Ruhrpott Gurken und Sauerkraut verkaufen will. Krogemann liefert seine Sauna-Tonnen und Badewannen aus Holz auch an echte Gesundheitsfanatiker — bis nach Skandinavien, denn in Dänemark und Schweden gibt es gar keine Böttcher.

Die meisten Fässer werden ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt: Wein erhält durch die Gerbsäure des Eichenholzes ein besonderes Aroma, und Weinbrand durch angekokelte Innenseiten den rauchigen Geschmack. Der größte Abnehmer von Fässern ist Australien, denn dort gibt es keine Eichen.

Auf dem Hof stehen einige Faß-Giganten. Die Fässer, in denen einst 10.000 Liter Weinbrand reiften, werden demnächst eine Brauerei zieren. Bier wird zwar nicht mehr in Fässern gelagert, aber: „Die Leute schneiden da einen Eingang rein, und dann können die Besucher darin sitzen und Bier trinken“, so der Böttcher.

Wieder draußen im Regen, beschließt die Reporterin, noch die Industrie-Hafen-Schleuse zu besichtigen. Die liegt nämlich am Ende der Kap-Horn-Straße. Endlos geht es vorbei an den bunten Hafenriesen: gelben Türmen, blauen Hallen, schwarzen Bergen und rauchenden Schloten. Entlang am Hafenbecken, wo die Tristan und die Castor liegen, an Öltanks, Container-Stapeln und Lastenkränen. Ein in Gischt gehüllter LKW braust an der einsamen Reporterin vorbei, der Schirm schlägt um. Am Horizont ist ein Stück blauer Himmel zu sehen. Wo sonst in Bremen kündigt sich der Wetterwechsel so lange vorher an? Beate Ramm