„S'kann nur vom Leben kommen“

■ Im taz-Culture-Club: Renato Grünig, Shakespeare Company, zur Zeit TV-Hofnarr und bald Antonius

hierhin bitte den

Mann im Mantel

Renato Grünig als Antonius

Wie soll man sich innerhalb einzweier Stunden ein Bild von einem wichtigen Nächsten machen, ohne ihm ungerecht zu werden? Renato Grünig erleichtert einen, weil er von sich aus spricht, gerne laut. Im Cafe Harlekin macht das nichts, wir sind fast alleine. Und rein gehts ins Gespräch: hinsetzen, Abfahren. Renato Grünig gestikuliert raumgreifend über einem „Spiegel“-Artikel über einen größenwahnsinnigen Filmregisseur: „Paranoia des verkannten Genies“, wütet er, aber in filigraner Artikulationskunst. Weil: „Es gibt keine Genialität, die verhindert wird!!“ Ja, das ist ein Satz, mit dem können wir arbeiten. Genialität also. Kennt er die? „Ich? Neinnn!“ Naja, aber Schauspieler sind doch welche, die bewundert werden möchten? Na das ja! Klar!! Zu Selbstverliebtheit, Egoismus, Eitelkeit hat

Probenfoto

er Verhältnisse. Genialität gibts vielleicht momentweise. Man stürzt eher in sich ab.

Augenblicklich ist er in zwei interessanten Rollen zu Gange: er spielt den Hofnarr in Radio Bremens Vorabendserie „Burg Wutzenstein“ und den Antonius in der Company neuem Stück „Antonius & Cleopatra“ (Premiere am15.9.). Wie nähert man sich Antonius als Renato Grünig? Naja, man hat einerseits Richard Burton im Nacken, und andererseits diesen großen Römer Marc Anton. „Also spiel man das!“ Aber wie er? Man muß übersetzen von seinen Erlebnissen in geforderte Erlebnisse, in Erinnerungen wühlen. Hat das was Therapeutisches? Jaja, dieses punktuelle Reingehen in Situationen. Früher, noch als Schauspielschüler, hatte er von großen Rollen die Vorstellung: Berg, Gott, wie den je besteigen?? In der Zwischenzeit hat er gelernt, Satz für Satz, Szene für Szene vorzugehen, innezuhalten: was ist, was hat's mit meinem Leben zu tun, weil's nur von daher kommen kann. Auf dem Weg zum Berg macht er also Station bei der ersten Hütte und kuckt zurück, als Schweizer kennt er sich da aus.

Natürlich ist auf dem Theater alles sehr reizbar und aufregend, wie man sich da runterbringt? Er hats da insbesondere schwer. Sitzt er eben länger in der Kneipe, woer als Quatschschnauze sich durchaus bemüht, zuzuhören. Oder er kuckt, wie die Leute gehen. Zum Lernen. Manchmal passiert es ihm, daß er Gänge sofort nachmachen will. Das erinnert ihn an seine zweite Ausbildung, nach regulärer Schauspielschule und sechs Jahren deutschem Staatstheater. Staatstheater!!! Allein der Pförtner, Ex- Buffo, mit seinem gesungenen „Guten Moorrgen“, ganz hoch hebt Pförtner Grünig die Stimme und krächzt gleichzeitig — da hatte er also Magenschmerzen von und ging zur berühmten Clownsschule Jaques Le Coq.

Selbstverständlich gibt es auch bei ihm, der mit 15 glasklar Schauspieler werden wollte, die obligatorische Theatervorstellung als Halbwüchsiger, wo er Fußballvereinsmitglieder zum Lachen brachte. Macht über das Lachen der Leute zu haben, das war ein irrsinniges Hochgefühl. Komik, das ernstzunehmendste Geschäft überhaupt. Also Komiker. Kommen wir zum Hofnarren in „Burg Wutzenstein“. Da hat ihn gereizt vor allem das artistische Repertoire, das er anwenden konnte: auf den Händen laufen, tanzen, jonglieren, singen, bißchen klampfen, bißchen trompeten. Die Jokolatoren jener Zeit mußten ja aus dem Stand irrsinnig viel können, Sketche spielen, Gigues tanzen. Für jede Szene hat er sich furchtbar viel überlegt: wenn die Kamera da steht, dann springst du von da nach da und so. Er hat sich ausgestopft um den Arsch, und damit er krummbeinig ging, hat er sich Steine in die Schnabelschuhe getan. Also ein eher bewegungsunfreundliches Kostüm, also hat er, derart beschwert, die Überschläge in den Pausen immer wieder üben müssen. Womit wir wieder beim Gängenachmachen sind. Denn jetzt springt er auf und macht vor, wie man mit Steinen in Schnalbelschuhen geht. Jesus! Da könnte er auch gleich mal zeigen, wie Italiener gehen: schlackernd. Achja, und Chaplin: oben steif, unten offen. Achja, und Männer: Schultern hoch, Gang stakkato. Achja, und Leute mit eingeklappten resp. Senkfüßen. Achja, und Affen. Achja. Und sagt zwischen Sitzen und Aufspringen, daß das Schauspielen schon eine Flucht sei aus der Realität: könnte man die eigene Banalität sonst aushalten? Claudia Kohlhase