»Jetzt hören wir auf zu heulen und zu meckern«

■ Das Westberliner Netzwerk und die Ostberliner Kulturinitiative Förderband stellen ihre Arbeit vor/ Diskussion mit »Kulturmachern« und »Kulturbezahlern« ist geplant/ Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden/ Am Samstag wird gefeiert

Berlin. November 1989 — die Linke in der DDR verläßt die Kirchen und zeigt den Menschen, was sie — vorbei an den offiziellen Darstellungen — jahrelang gemacht hat. Kulturprojekte stellen sich vor und wollen endlich zusammen und öffentlich arbeiten. Im Dezember gründet sich die Kulturinitiative Förderband, seit Februar ist sie staatlich anerkannt. Geld bekommt sie von den Behörden nicht. Also klopft sie beim Westberliner Netzwerk an. Aber die wollen nichts hören von Kultur — Netzwerk fördert basisdemokratische, ökologische Projekte und keine Theatergruppen.

In dieser Woche wollen Netzwerk und Förderband ihre Arbeit vorstellen. Die Aktionstage mit Namen »Ost/West-Kulturbeutel« sind eine Reaktion auf das »destruktive Verhalten und die Sprachlosigkeit der linken Szene gegenüber der deutsch-deutschen Vereinigung«, sagt Dietmar vom Ost-West-Büro. »Jetzt hören wir auf zu heulen und zu meckern«, so Dietmar, »jetzt zeigen wir, daß wir arbeiten und Forderungen haben«. Die Hauptforderung heißt Geld. »Die Senatstöpfe müssen erhalten und erweitert werden.« Zu den bereits vorhandenen Projekten sind diverse Gruppen dazugekommen, und ein Ende ist nicht abzusehen. »Wir müssen vorher auf die Situation aufmerksam machen«, sagt Dietmar. Hinterher jammern bringe nichts.

Nicht nur Förderband fragte seit Öffnung der Mauer beim Netzwerk um Unterstützung an. Stapelweise Post aus Ost-Berlin und der DDR landete auf dem Schreibtisch des Westberliner Selbsthilfevereins. Den Gruppen mangelte es nicht nur am Geld. Vorhanden war nur der gute Wille. Räume fehlten und sämtliche Grundlagen in Selbstverwaltung, Firmengründung und ähnlichem. Im Januar beschloß Netzwerk, sich nicht länger aus der Entwicklung rauszuhalten, und gründete das Kontaktbüro Ost/West. Das Büro bot eine Betriebsberatung für Ostprojekte an, Geld hatte es aber nicht für sie.

Auch der Kontakt zu Förderband lief nun an. Als erstes war der Begriff »Kultur« zu klären. Was in Netzwerk- Ohren nach »offiziösem Getümmel« klang, ist für die DDR-Linke alles, was »zwischen den Menschen« passiert. »Auf diesen ganzheitliche Anspruch mußten wir uns erst einmal wieder besinnen«, sagt Elli, die beim Netzwerk für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Linke Kulturarbeit in der DDR ist nicht »von unten« und auch keine »Gegen«kultur. Kultur berührt alle gesellschaftlichen Bereiche, und genau darum gilt der Begriff für Ökologieprojekte und Beratungseinrichtungen ebenso wie für freie Theatergruppen. »Auch hier macht ja niemand eine Biobäckerei auf, weil sich Biobrot gerade gut verkaufen läßt«, sagt Elli. Menschen, die alternative Betriebe eröffneten, wollten zum Beispiel auch die Umwelt berücksichtigen.

Der Verein Förderband sammelt wie Netzwerk Projektvorschläge, die ökologisch und sozial verträglich und zudem basisdemokratisch organisiert und innovativ sind. Geförderte Projekte werden beraten und sollen irgendwann einmal auch Geld bekommen. Aber bisher hat Förderband kaum Gelder zur Verfügung und auch keine Räume für ein festes Büro.

Eines der von Förderband betreuten Projekte ist die Kulturfabrik »Pfefferberg«. Auf dem Gelände der ehemaligen Brauerei am Senefelder Platz wollen verschiedene Projekte aus Prenzlauer Berg unter einem Dach zusammenarbeiten. Von dem Zusammenschluß erwarten sie, daß es leichter sein wird, an Geld heranzukommen. Da auch Kiezarbeit und Beratung im »Pfefferberg« vorgesehen sind, hoffen die InitiatorInnen langfristig auf staatliche Gelder.

In den Ost-West-Kulturbeutel soll jetzt alles rein, was mit den beiden Vereinen zu tun hat: Bei einem Umzug vom Alex zum Roten Rathaus präsentieren sich am Mittwoch die betreuten Projekte der Öffentlichkeit. Freitag abend wird diskutiert. »Kulturmacher und Kulturbezahler« sollen über die Situation und Zukunft der alternativen Szene nachdenken. Als Macher werden unter anderen Menschen von Netzwerk und Förderband dabei sein. Auf der Seite der Bezahler hat der kulturpolitische Sprecher der CDU, Lehmann-Brauns, zugesagt. Hinterher gibt es eine Uraufführung. Drei DDR-Gruppen führen ein Rockprojekt unter dem Titel Die letzten Tage von Pompeji auf. Am Samstag wird mit Musik, Theater und einem Projektemarkt von mittags bis nachts gefeiert. Alle Veranstaltungen finden im Haus der jungen Talente statt. Christel Blanke