Zu Türmen erstarrt

■ Mit Elisabeth Jarstös Ausstellung endet das Projekt »Prenna III«

Wadenhohe Holzpflöcke stehen in der Mitte des weißgekalkten Raumes. Dreimal siebzehn Stäbe in einer Reihe, mal sind es auch achtzehn. Das Durchzählen macht keinen Sinn. Es handelt sich hier nicht um Zahlenmagie. Wichtiger sind die spitzen Enden, die die Hölzer wie Türme erscheinen lassen. Grünliche Patina und Augen ehemals abragender Ästchen lassen zudem Fenster und Türen auf den Türmen erscheinen. Das »Dach« mancher ziert ein Zimmermannsnagel, an dem ein Fähnchen befestigt ist. Der Wind weht aus undefinierbaren Richtungen: kaum daß ein Wimpel in die gleiche Richtung weist wie sein Nachbar.

Über der Ansammlung der strammen Zwerge macht sich beredte Stille breit. Denn irgend etwas haben sie zu erzählen. Man möchte den Verstockten einen Schubs geben, daß sie anfangen sich zu bewegen, daß sie umfallen.

Elisabeth Jarstö beendet mit ihrer Ausstellung von fremden Wesen das Projekt Prenna III. Vor drei Jahren war die Norwegerin mit ihrem Kollegen Kalle Grude nach Island eingeladen worden. In Reykjavik begannen sie ihr dreiteiliges Projekt: Die Eindrücke, die Island bei ihnen hinterlassen hatte, sollten an drei verschiedenen Orten über drei Jahre hinweg ihre Wandlung erfahren und ausgestellt werden.

Eine viel zu lange Zeit, findet Jarstö jetzt. Es sei unmöglich, ein Konzept so lange beizubehalten. Ihre derzeitige Präsentation im Markovic Laboratorium hinter dem RA.M.M.- ZATA-Theater, wo auch Kalle Grude seine auf einer mit Fotoentwickler bestrichenen Wand entstandenen Arbeiten gezeigt hatte, kümmert sich daher nicht mehr um die isländischen Impulse.

Nach zweimonatigem Aufenthalt in Berlin stellte Jarstö ihre Beobachtung von den Deutschen Ost und den Deutschen West in Berlin aus: von einer Menge Menschen, die die Ordnung gewohnt sind, die wie Holzpflöcke der Dinge harren, die da auf sie zukommen, die verunsichert sind, aber in der fremd gewordenen Stadt bleiben, um zu schauen, was passiert. Die noch nicht einmal unverblümt ihre Meinung zu den Ereignissen aussprechen, in denen sie stecken, weil sie keine unverblümte Meinung haben. Die sozusagen neben ihrer eigenen Geschichte stehen.

Von den Wänden blicken steinerne Masken, gemalt mit Gouache auf sehr weißem Papier, auf die Ansammlung hölzerner Türme herunter. Sie schweben vor minimal angedeuteter Mauer oder haltlos in unendlicher Leere, aus der diffuses Licht sie doch noch Schatten werfen läßt. Und es scheint, als ob die erstarrten deutschen Holzpfähle darunter sich vor ihnen für ihre wortlose Untätigkeit rechtfertigen müßten. Claudia Wahjudi

Bis Mittwoch noch in der Fidicinstraße 40, Berlin 61 täglich von 12 bis 18 Uhr.