Merkwürdige Hilfe

■ RIAS-Intendant wollte bei DT64 Fakten schaffen KOMMENTAR

Das ist ein schwer zu schluckender Brocken: Das Recht auf Beteiligung der Belegschaft bei der Umstrukturierung ihres Senders, das Recht, wenigstens von bevorstehenden Veränderungen informiert zu werden, bezeichnet RIAS-Intendant Drück als »Gefahr im Verzuge«. Ein knappes Jahr nach der »Wende« besitzen sowohl Drück wie auch der DDR-Hörfunkchef Singelnstein die Chuzpe, ihren Mitarbeitern die Mitsprache zu verweigern. Statt dessen wollen sie ihnen ihre im geheimen ausgehandelten Vereinbarungen überfallartig aufdrücken und stellen das Ganze auch noch als »Versuch der Hilfeleistung« dar. Die beiden Hörfunkchefs haben sich mit dieser Haltung aber nicht nur gegenüber der Belegschaft des Jugendradios DT64 zu verantworten, sondern auch vor den Hörern. Intendant Drück redet die ganze Zeit vom Programmauftrag, den der RIAS gerade gegenüber den Menschen in der DDR erfüllen muß — von einer Protestwelle nach Beendigung des 24stündigen RIAS-Gastspiels hat aber niemand etwas gehört. Singelnstein könnte man allenfalls noch zugute halten, daß ihn nicht Bösartigkeit, sondern der Wunsch, Strukturen des DDR-Rundfunks zu erhalten, zu diesem Coup getrieben haben. Zu akzeptieren ist dieses so entstandene Überfallkommando deshalb aber nicht. Und Drück, der FDP-nahe RIAS-Intendant, hat vielleicht Kalte-Kriegs-Zeiten hinter sich gelassen, in dem Gefecht um DDR-Frequenzen aber steht er an vorderster Front: Er gibt offen zu, daß er mit der Ausstrahlung seines Programms auf UKW-Frequenzen der DDR natürlich auch Fakten schaffen wollte. Verantworten aber muß sich letztendlich auch die Chefredaktion des Jugendradios: Obwohl sie schon länger darüber diskutierte, daß DT64 möglicherweise nur noch als regionaler Sender für Berlin-Brandenburg bestehen bleiben kann, hielt sie es erst gestern für nötig, die Belegschaft umfassend zu informieren. Möglicherweise ist auch jetzt wieder Gefahr im Verzuge. Die aber könnte sowohl die beiden Intendanten wie auch Teile der DT64-Belegschaft von ihren Stühlen fegen. Martina Habersetzer