Einhundert Asse

■ Pete Sampras auf den Spuren von Rod Laver

Als er 14 Jahre alt war, sah er das erste Mal Videofilme von Rod Laver. Der Junge aus Kalifornien wünschte sich, so zu sein, wie der rothaarige Australier. Am Sonntag hat der Sohn griechischer Einwanderer in New York den ersten Schritt getan. Im Finale der US Open bezwang er Andre Agassi in nur 102 Minuten 6:4, 6:3, 6:2 und kassierte 350.000 Dollar. Damit wurde er 28 Tage nach seinem 19. Geburtstag zum jüngsten Sieger aller Zeiten in Flushing Meadow. Denn ein gewisser Oliver S. Campbell war bei seinem US Open-Triumph im Jahre 1890 immerhin 19 Jahre, sechs Monate und neun Tage alt.

Als er 14 Jahre jung war, spielte er noch eine beidhändige Rückhand. „Ich konnte keinen Volley, und mein Aufschlag war schwach“, beschreibt Sampras seine Tennis- Jugend, in der ihn sein Vater Sotirios mit einem VW-Bus von Turnier zu Turnier fuhr. Dann aber überredete ihn sein damaliger Trainer Peter Fisher, ein Arzt, der nur nebenbei als Coach arbeitet, daß er eigentlich ein Angriffsspieler sei. 100 Asse bei den US Open, die den Gegnern mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 193 km/h um die Ohren sausen, überzeugten Sampras nun endlich auch selbst.

Mit den Assen 99 und 100 zog er im letzten Satz auf 5:2 davon, gegen einen Andre Agassi, der im Vergleich zu seiner Leistung gegen Boris Becker müde war und am Ende — wieder einmal — aufgab. Welch ein Unterschied zwischen den beiden US-Youngstern. Der eine mit schwarzen kurzen Haaren, der andere mit blonden langen Strähnen. Der eine griff ständig an, der andere blieb an der Grundlinie. Der eine saß vor dem Match im Spieler-Aufenthaltsraum und seine Pasta, der andere kam mit einer großen Limousine angerauscht und verschwand umgeben von Leibwächtern mit seinem Clan in einem speziellen Umkleideraum. Sampras sagte: „Ich bin ein ganz normaler 19jähriger, mit einem ganz ungewöhnlichen Job, der heute etwas ganz Ungewöhnliches vollbracht hat.“

Was für ein Unterschied auch auf dem Platz. Sampras gelang alles, Agassi fast nichts. Agassi zischten 13 Asse um die Ohren, Sampras hielt seinen Gegner immer unter Druck. Sampras machte im ersten Satz alle Punkte, wenn er seinen unglaublichen ersten Aufschlag ins Feld setzte. Insgesamt buchte Agassi ganze 17 Zähler, wenn Sampras aufschlug.

Es ist schon enttäuschend, wenn jemand die Trophäe hochhält, die du so gern gewinnen willst“, sagte Agassi. Über die Zukunft seines Bezwingers ist er sich noch nicht ganz im klaren: „Wer weiß, ob er nur ein gutes Turnier hatte oder so weiter macht. Es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man an der Spitze ist.“ Aber Pete Sampras will weiter seinem Vorbild Rod Laver nacheifern, dem klassischen Australier, wie er ihn selbst bezeichnet. „Eine Menge Jungs, vor allem in meinem Alter haben ihn vergessen. Ich aber habe den größten Respekt vor ihm. Ich würde gern einmal mit ihm in einer Reihe stehen.“ dpa