Die Kunst, schlechte Filme zu machen

■ Deutsche Filme in Venedig: Jiri Weiss zeigt mehr Herz als Handwerk und Dominik Graf mehr Krampf als Lust

Drei deutsche Filme nehmen in diesem Jahr am Wettbewerb um den „Goldenen Löwen“ teil: Margarethe von Trottas L'Africaine, Jiri Weiss' Martha und ich und Dominik Grafs Der Spieler. Das heißt, deutsch ist eigentlich nur Der Spieler zu nennen, die anderen sind Euro- Koproduktionen. Martha und ich spielt in den 30er Jahren in Prag und wurde auch dort gedreht, beteiligt sind das ZDF, Canal Plus, Rai Due und ORF. Deutsch ist an Martha und ich vor allem Martha: Marianne Sägebrecht. Sie spielt die Magd des reichen jüdischen Arztes Ernst Fuchs (Michel Piccoli), der sie, eine Sudetendeutsche mit Nazi-Brüdern, heiratet. Der Arzt kommt ins KZ, Martha springt vor den Zug. Eine wahre Geschichte: Ernst war der Onkel von Jiri Weiss; Martha und ich ist seine Kindheitserinnerung. Jiri Weiss hat mit dem Herzen gefilmt, jedenfalls behauptet er das: „Ich habe versucht, auf die Stimme des Herzen zu hören.“ Das Dumme ist, daß er vor lauter Herz sein Handwerk vergessen hat. Gestelzte Dialoge, billige Symbolik, unfreiwillige Komik. Als Martha sich in der Hochzeitsnacht vor ihrem Herrn ein bißchen fürchtet, wird sie von Piccoli beruhigt. Man nenne ihn doch den Arzt mit den Goldenen Händen (er ist Gynäkologe!). Martha möchte lieber das Licht ausmachen. Piccoli: Er sei Arzt, er könne es auch im Dunkeln. Die Szene soll romantisch sein. Piccoli hätte sich weigern sollen, sie zu spielen. Die Fehler von Jiri Weiss liegen in den Details. Sie machen das Ganze zur Lüge. Die einfache Art, einen schlechten Film zu drehen.

Auch in Dominik Grafs Der Spieler — eine Liebesgeschichte als Actionfilm — werden die Dialoge mehr aufgesagt als wirklich gesagt. Aber bei Graf ist es Absicht. Das Beziehungstheater verleugnet nie das In-Szene-Gesetzte, man tut etwas und distanziert sich davon, indem man vorher sagt, was man tut. Dann küssen wir uns also jetzt, sagt Katrin zu Jojo, und dann küßt Katrin Jojo. Man klopft ironische Sprüche und erschießt Polizisten, und das nächste Bild ist eine Hommage an die Primärfarben: Rot-Blau-Gelb — ein gestylter Film, der sich noch über sein eigenes Styling mokiert. Das Problem ist der verkrampfte Wille zur Lakonie. Graf hat Lust zu spielen, er spielt auch, aber er leugnet seine Lust daran. Deshalb verliert er, wie Jojo, der Protagonist, der all seine Glücksspiele verliert. Eine präzise Selbstreflexion: die komplizierte Art, einen schlechten Film zu machen.

Jack Valenti, der Präsident der amerikanischen Major-Companies, hat sich in Venedig über das Gejammer der Europäer und deren Angst vor der amerikanischen Invasion ins europäische Kino beschwert: „Den Schutz der Gesetze zu suchen, ist kontraproduktiv. Kein Gesetz dieser Welt kann dafür sorgen, daß ein guter Film entsteht, kein Parlament ein gutes Drehbuch schreiben. Was zählt, und was das amerikanische Kino in Europa so populär macht, ist das Publikum.“

Martha und ich war ein Publikumserfolg in Venedig, Der Spieler wurde ausgebuht. Was sich zumindest als Votum gegen die deutsche Gründlichkeit verstehen läßt. Christiane Peitz/Venedig