Ab heute Infobüro für NS-Opfer

Kölner Institution soll auch Lobby für nicht entschädigte Zwangsarbeiter sein  ■ Von Irene Dänzer-Vanotti

Köln (taz) — Immerhin: 45 Jahre und vier Monate nach Ende der Hitler- Diktatur wird heute eine Informations- und Beratungsstelle für NS-Opfer eingerichtet. Zum ersten Mal haben sich mehrere Verbände ehemals Verfolgter zusammengeschlossen, um den alternden Menschen Geld und Recht zu verschaffen. Köln wurde als Sitz der Stelle gewählt, weil die dortige Oberfinanzdirektion den 1988 von der Bundesregierung eingerichteten Härtefonds verwaltet.

„Wir wollen die Menschen ermutigen, sich der Bürokratie noch einmal auszusetzen, um im Alter angenehmer leben zu können“, nennt die Leiterin der Beratungsstelle, Susanne Willems, eines ihrer Ziele. Sie schätzt, daß in der Bundesrepublik noch 100.000 bis 200.000 Menschen leben, die von den Nazis verfolgt oder mißhandelt worden waren. Wieviele es in der Noch-DDR sind, ist ganz ungewiß, da dort — wie hierzulande bis vor wenigen Jahren auch — ganze Gruppen Verfolgter bislang nicht anerkannt waren. Das sind zum Beispiel Homosexuelle oder sogenannte Asoziale, das sind Überlebende medizinischer Versuche (Euthanasie-Geschädigte) und Männer und Frauen, die zwangsweise sterilisiert wurden.

Für sie bedeutet „Wiedergutmachung“ einen Papierkrieg mit Behörden. Neben dem Härtefonds sind das Stiftungen einiger Bundesländer. Die neue Beratungsstelle in Köln will daher als Wegweiser durch den Wiedergutmachungs-Dschungel dienen.

Da ist etwa der Härtefonds: Mit 300 Millionen Mark jährlich zwar nicht schlecht ausgestattet, sind bislang nur minimale Beträge (1989: 4,4 Millionen Mark) zu den Opfern gelangt. Der Grund: Das Wort „Härte“ wird nicht auf die Art des NS-Verbrechens bezogen, sondern auf die derzeitige Lebenssituation des Opfers. So muß „der Antragstellende“ nachweisen, daß er/sie heute noch seelisch und körperlich unmittelbar an den Folgen der Mißhandlung leidet und nicht mehr als 1.967 Mark als Paar zur Verfügung haben. Sind die Betroffenen ärmer, werden ihnen einmalig 5.000 Mark ausbezahlt. Vollkommen Mittellose erhalten eine Rente, die etwa der Sozialhilfe entspricht.

Etwas besser werden seit Juli Zwangssterilisierte behandelt. Die CDU, in Sachen „Wiedergutmachung“ sonst eher geizig, hat, wie im Bundestag zu hören ist, ihr Herz für diese Gruppe entdeckt, so daß sie 5.000 Mark und 100 Mark monatlich unabhängig von ihrem Einkommen erhalten. Für sie dürfte die größte Demütigung darin liegen, daß ein Arzt ihnen bescheinigen muß, wie sehr sie heute noch unter den Folgen der Sterilisation leiden — schließlich waren es Ärzte, die die Menschen einst verstümmelten. Susanne Willems will auch als Lobbyistin für NS-Opfer tätig sein, deren Leiden bislang weder finanziell noch moralisch anerkannt wurde: ZwangsarbeiterInnen, die die Nazis aus Polen und der Sowjetunion ins „Reich“ verschleppten. Ob sie Erfolg hat, wird sich schon morgen erweisen: Der Innenausschuß des Bundestages berät abschließend alle Vorschläge der Opposition, eine Stiftung einzurichten, die zunächst die PolInnen und später womöglich SowjetbürgerInnen entschädigen soll.