Wegen Bleiberecht für Roma droht Schnoors Sturz

NRW-Regierung entscheidet heute/ Mehrheit gegen Schnoor/ Schnoors Erlaß für „Bettelmarsch-Roma“ Einlösung eines Versprechens  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) — Die Umsetzung des im Januar 1990 versprochenen Bleiberechts für langjährig in NRW lebende Roma, könnte am heutigen Dienstag mit dem Rücktritt des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Schnoor enden.

Schnoor beharrt darauf, die im Januar von der evangelischen Kirche, den Wohlfahrtsverbänden und Ministerpäsident Johannes Rau begrüßte Regelung für sogenannte „de facto- staatenlose“ Roma jetzt umzusetzen. Sein entsprechender Erlaß, der beim ersten Anlauf im Kabinett keine Zustimmung fand, steht heute zur endgültigen Entscheidung erneut auf der Tagesordnung. Arbeitsminister Hermann Heinemann, der die Ablehnungsfront im Kabinett anführt, will den Erlaß, der auch beim Chef der Staatskanzlei, Wolfgang Clement, auf große Bedenken gestoßen ist, auf keinen Fall durchgehen lassen. Schnoor hat sich unterdessen gegenüber der Düsseldorfer 'Rheinischen Post‘ eindeutig festgelegt. „Ich bin nicht bereit, hiervon abzurücken. Ich möchte auch morgen noch in den Spiegel sehen können. Die Leute müssen sich auf das Wort eines Regierungsvertreters verlassen können.“ Der 'Westfälischen Rundschau‘ sagte Schnoor am Wochenende, daß sich für ihn in diesem Konflikt die „Machtfrage“ stelle.

Für ihn gehe es dabei auch darum, festzustellen, welche Position er mit seinen Vorstellungen im Rau-Kabinett noch habe. Bisher galt Schnoor der Rau-Regierung immer als ein liberales Aushängeschild — mit bundesweiter Strahlkraft. Rau selbst hat sich zu dem brisanten Konflikt bisher öffentlich ausgeschwiegen.

Am 31. Januar 1990 war in den Düsseldorfer Räumen der rheinländischen evangelischen Kirche vom Landeskirchenrat Jörn-Erik Gutheil — im Beisein von Schnoors Staatssekretär Wolfgang Riotte — jene Vereinbarung vorgestellt worden, die damals zur Beendigung des Bettelmarsches der Roma führte, nun aber nicht mehr gelten soll.

Roma, die schon vor dem 12. 1. 1990 in NRW lebten, sollten nach der Vereinbarung — unabhängig von ihren jeweiligen Asylverfahren — unter gewissen Bedingungen einen „besonderen Aufenthaltsstatus erhalten“. Mit dem vom Schnoor vorgelegten Erlaß werden die Kriterien für diesen besonderen Status, die — wie verabredet — nach Eingang der Anträge der Roma im Innenministerium erarbeitet wurden, nun lediglich administrativ festgeschrieben.

Bei der ganzen Prozedur war allen Beteiligten von Anfang an bekannt, daß viele der betroffenen Roma sich in ihren Asylverfahren zumeist auf die politische Verfolgung in Jugoslawien — und nicht auf ihren Status als quasi staatenlose Nomaden — bezogen hatten. Deshalb ließ Schnoor in seinen neuen Erlaß hineinschreiben, daß „nicht nachgewiesene Angaben in früheren Verfahren, die von den nunmehr geltend gemachten beziehungsweise dargelegten Tatsachen abweichen, bei der Prüfung der Glaubwürdigkeit jetzt vorgetragener Tatsachen“, unberücksichtigt bleiben sollen.

Die CDU, die für den Fall, daß das Bleiberecht gewährt wird, ein Volksbegehren angekündigt hat, sieht in dieser Formulierung einen „Freifahrtschein für Lügner“. Dabei ist die Zusage des Innenministers, möglicherweise aus der Not heraus gemachte unzutreffende Aussagen in den jetzt anstehenden Verfahren angemessen zu würdigen, in der Substanz eine Selbstverständlichkeit im Verwaltungshandeln.

Daß diese humanitäre Lösung für, nach Angaben von Schnoor, etwa 1.000 längjährig in NRW lebende Roma jetzt auf so großen Widerstand stößt, hängt unmittelbar mit dem aktuellen Zuzug der Roma aus Rumänien und Jugoslawien zusammen. Für den Fall, daß Schnoor sich durchsetzt, befürchtet Heinemann einen zusätzlichen „Sog“.

Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Norbert Blüm, dessen Statthalter in Düsseldorf nun die große Keule schwingen, brüstete sich im übrigen noch im Februar, nach Abbruch des Bettelmarsches, in einem Brief an die evangelische Kirche damit, daß Bernhard Worms „als einer der ersten Politiker dieses Landes mit ihnen gessprochen“ habe.