Aus einem total schönen Land

■ Photographien, Collagen, Film, Musik zu Nordost Brasilien im Schlachthof

Maike Hartwig, Tobias Baader und Christian Just sind StudentInnen der Malerei, der Graphik, des Films, der Psychologie. Baader ist 1986 durch Lateinamerika gereist und in Brasilien hängen geblieben. „Es ist ein total schönes Land.“ Irritierenderweise auch eins mit einer galoppierenden Inflation, mitregierenden Konzernen wie Mercedes und VW und einer Bevölkerung, die viele Sympa-thien für die Deutschen hegt. Die Reise mit Hartwig und Just 1989/90 in den ländlichen brasilianischen Nord-Osten war für Baader die dritte. Er hat inzwischen Portugiesisch gelernt und die Vorstellung im Kopf, daß Austausch zweiseitig sein sollte, also hat er in Brasilien einen selbstgedrehten Film über die Öffnung der DDR 89 gezeigt.

Was die drei an Arbeiten mit nach Bremen zurückgebracht haben, wird am Donnerstag im Turm des Schlachthauses zu sehen sein. Wer es bis auf Kirchturmhöhe unters Turmdach schafft, kann Tobias Baaders Experimentalfilm sehen, den ich mich nach dem gesehenen Notvideo nebst Erklärungen nicht zu charakterisieren getraue. Was da grün irrlichterte, wird „echt“ schwarz-weiß sein, Baader betont auch, nicht die Bilder seien wichtig, sondern die „Idee“. Und die besteht darin, eine postkartenschöne Landschaft in Großaufnahme durch Multiplikation zu zerlegen, fremd zu machen. „Abstraktion“ heißt seine Antwort auf ein Problem, das nicht nur er mit diesem „total schönen Land“ hat. Maike Hartwig formuliert es als den Widerspruch zwischen den betörend schönen Farben und dem, „das aber noch etwas dahinter“ ist.

Baader ist dem Land mit Film und Fotos, Just mit Fotos, Hartwig mit Collagen und Malerei nahegerückt, Fotos und Bilder sind weiter unten auf der zweiten Turmebene zu besehen. Eine Collage vereint Geldscheine, die die Inflation auf den Wert der daneben geklebten Münzen gedrückt hat, mit Stimmzetteln und Zeitungsnotizen über zwei Wahlkämpfer. Die Stimmzettel versuchen den vielen Analphabeten deutlich zu machen, wie sie den Kandidaten ihrer Wahl ankreuzen.

Die Collage hängt zwischen einem „Panoramabild“ Hartwigs: Ein Langformat zeigt eine durchsichtige, stark bunte Landschaft, wo das Rot so rot ist wie der Strand aber auch wie eine der Hautfarben im brasilianischen Vielvölkergemisch. Wer am Donnerstag um 20 Uhr zur Eröffnung kommt und von der Band „Batida de Samba“ empfangen wird, sollte die drei ProduzentInnen nach ihren Arbeiten ausfragen. Sie haben viel zu berichten.

Uta Stolle