Umwelträuber unterwegs im DDR-Umland

■ »Stiftung Naturschutz Berlin« berichtet über neue Varianten der Umweltkriminalität/ Aktivitäten der Stiftung seit Maueröffnung stark gestiegen/ Eigen- und Fremdprojekte werden gefördert/ Dach- und Schulhofbegrünung als Eigenprojekt

Berlin. Die Folgen der Maueröffnung nehmen die merkwürdigsten Formen an. Vertreter der Stiftung Naturschutz Berlin berichteten gestern vor der Presse von »regelrechten kriminellen Akten», die sich im Bereich Umweltkriminalität in letzter Zeit gehäuft hätten. So seien im Berliner Umland Gelege von seltenen Greifvögeln ausgeraubt und auf dem Liebhabermarkt für bis zu 20.000 Mark verkauft worden. Ähnliches sei mit dem Hirschkäferbestand geschehen, der es sich in alten Eichenstubben im Kreis Königs Wusterhausen häuslich gemacht habe. Mehrfach schon hätten sich deshalb DDR-Umweltgruppen an die Stiftung Naturschutz Berlin gewandt und die Finanzierung von Funkgeräten erbeten, um eine Überwachung der Wälder organisieren zu können. Das aber übersteige leider ihre Kräfte, so ihr Geschäftsführer Klaus-Dieter Heise. Sein Alternativtip: Bei der aufgelösten Stasi und der NVA gebe es »nach wie vor große Bestände«.

Naturschützer aus Ost und West sind mit derlei Angelegenheiten bei der gemeinnützigen Stiftung öffentlichen Rechts im Grunde aber durchaus an der richtigen Adresse. Als eine von insgesamt neun Landesstiftungen in der BRD war sie Ende 1981 vom Westberliner Abgeordnetenhaus zum Zwecke des Naturschutzes und der Förderung von Umweltprojekten eingerichtet und mit einem Anlagevermögen von 6,5 Millionen Mark versehen worden. Aus dessen Zinsen und Zuschüssen werden seitdem Eigen- und Fremdprojekte finanziert.

»Small is beautiful«, diese alte Weisheit des Ökophilosophen E.F. Schumacher sei auch bei ihnen Grundsatz, so Geschäftsführer Heise, durchschnittlich würden rund 2- bis 3.000 Mark Fördermittel vergeben. Dafür aber seien trotz der schmalen Finanzausstattung bereits 370 Projekte seit 1982 gefördert worden. Bei Finanzbeträgen ab 20.000 Mark sei der Stiftungsrat zuständig, dem acht Mitglieder von Naturschutzvereinen, drei Behördenvertreter sowie je ein Repräsentant der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien angehören. Also auch ein »Republikaner«, »doch der«, freute sich Heise, »kam zum Glück noch nie«.

Vielleicht auch deshalb, weil die Stiftung Naturschutz bis zum letzten Jahr mit nur zwei hauptamtlichen Mitarbeitern mehr im stillen werkelte. Doch seit der Maueröffnung »sind die Aufgaben erheblich größer geworden«, so der Geschäftsführer. Der Strom von Besuchern aus dem DDR-Umland, die bei ihnen materielle und ideelle Hilfe erbeten hätten, sei erst mit der Währungsunion und ihren existentiellen Folgen »relativ abrupt abgerissen«.

Nicht abgerissen sind jedoch die Finanzierungswünsche von seiten der DDR-Gruppen. Vor der Wende sei die Arbeit im Bereich von Natur- und Umweltschutz ein beliebter, weil selbstbestimmter »Hobbyismus« gewesen, in manchen Landkreisen hätten Aktivisten mehr »bravouröse Arbeit« geleistet als in ganz West-Berlin, erklärte Heise. Zweckgebunden für Umweltinitiativen im Osten sind vom Umweltsenat als Aufsichtsbehörde 120.000 Mark in diesem Jahr zur Verfügung gestellt worden, die jedoch zur Hälfte bereits ausgegeben seien. Das Umweltzentrum der »Grünen Liga« in Ost-Berlin beispielsweise wurde mit einem Computer und Büromaterial ausgestattet, zählte der Geschäftsführer auf, Froschschützer bekamen einen Koffer für chemische Wasseranalysen überreicht, Umweltgruppen im Oberspreewald und anderen Naturschutzgebieten wurden mit Schildern versorgt — »gerade bei Schildern scheint in der DDR ein echter Engpaß zu bestehen«.

Aber auch zu den Eigenprojekten der »Stiftung Naturschutz Berlin« kämen viele Nachfragen aus der DDR. »Viele DDR-Bürger lassen sich derzeit beraten, wie man eine Solar- oder eine Grauwasseranlage baut«, berichtete ein Stiftungsmitarbeiter, der das Projekt »Ökolaube« betreut. Mit dem Vorzeigeprojekt »Ökolaube« im Britzer Garten will man den rund 100.000 Kleingärtnern in Berlin zeigen, wie man nach biologischen Prinzipien wirtschaften kann. Dazu gehört auch eine von der Stiftung bereits 1983 initiierte Kampagne zur Dachbegrünung, durch die immerhin 300 Berliner Dächer ergrünten.

»Grün macht Schule« nennt sich ein weiterer Arbeitsschwerpunkt innerhalb der Stiftung. In seinem Rahmen sind ebenfalls seit 1983 ein Drittel aller Westberliner Schulhöfe begrünt oder mit Schulgärten ausgestattet worden. Die neueste Idee der Stiftungsmitarbeiter: gemeinsame Umweltprojekttage für Ost- und Westberliner Klassen. usche

Stiftung Naturschutz Berlin, Potsdamer Straße 68, Berlin 30, Tel.: 2626001. Mo. bis Do. 14 bis 18 Uhr.