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Babyspeck und Stundenlohn

■ »Vera und Babs«, die neue TV-Serie des Regionalprogramms

Vera und Babs, das ist die brandneue Serienversion zweier wetterfest durchs Leben gefönter Schicksalsschwestern aus dem Hause der SFB-Werbeabteilung. 14 bewegte, aus dem Leben gegriffene und herzliche Fernsehfolgen zum Mitfühlen für jedermann sind inzwischen schon sicher im Kasten. Aber ganz anders als die an vorderster Frauenfront kämpfenden Cagney und Lacey aus SAT1 war der Beginn einer wunderbaren Busenfreundschaft nicht der gemeinsame Kampf gegen das männliche Verbrechen, sondern das Ringen um eine Charlottenburger Altbauwohnung, in der sie fortan mit den Waffen selbständiger junger Frauen gegen Hausstaub und ums Haarspray kämpfen. Daß die beiden Pomeranzen sich ausgerechnet wegen einer Altbauwohnung verschwistern, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn wie bei allen anderen Angelegenheiten dieser Serie auch hat die Buchautorin Vivian Naefe hier frei nach Enid Blyton tief aus dem alltäglichen Frauenleben geschöpft und nichts anderes als eine Großstadtversion von Hanni und Nanni aufs Papier gezaubert, und so spritzig wie die Lifestyleserie im SFB-Programm ist, kann man mühelos nebenher auch gleich den Abwasch machen.

Das liegt wahrscheinlich am flott ausgeführten Gegensatzprinzip der Vorabendserie mit Knabberspaß, denn trotz der gleichen Tampon- und Kleidergröße, demselben deutschstämmigen Traummann und der gemeinsamen Vorliebe für »Du- darfst«-Produkte hat Babs eine hellbraune Wuschelmähne und Vera eine dunkelblonde. Bei so viel knisternder Gegensätzlichkeit kreisen die kalorienfreien Problemhäppchen wie die Motten um diese beiden Schlußlichter der sanften Frauenbewegung.

Aber wie die meisten Menschen, für die die allwöchentliche Feierabendserie auf der Mattscheibe gedacht ist — das schienen, so das SFB- Werbeteam, die Zielgruppe Rentner, Hausfrauen und Arbeitslose zu sein — finden sich Janett Rauch als Vera und Christina Plate als Babs ein in die Welt der alltäglichen Mißglückungen und Behinderungen.

So solidarisieren sich Tipsi und Tapsi zum Beispiel mit den vielen Menschen in dieser Stadt, die unter einer Sehstörung leiden. In einer Billardsequenz (siehe Foto), in der Babsi (links) das an diesem Kugelspiel so sehr hinderliche Kreuzblicksyndrom darstellt, fixiert Vera (rechts) kurz vor ihrem entscheidenden Stoß den Zigarettenautomaten am anderen Ende des Raumes.

Solche und andere ähnliche sozialkritische Szenen werden von heute abend an in die serienverwöhnten Wohnzimmer der Berliner flackern. Daß bei den 14 Folgen Vera und Babs mit keinem Wort oder Bild den Mauerfall und anderes Konsumbewegendes erwähnt wird (wohlgemerkt auch nicht in der bis zu Nummer 26 geplanten Fortsetzung), liegt nach der plausiblen Erklärung des Verkaufsteams vom SFB daran, daß Vera und Babs genug mit sich selbst und ihren kleinbürgerlichen Behinderungen zu tun haben. Gerade Babs hat ja schon in Praxis Bülowbogen und in der unsäglichen Linie 1 die Berliner zur Genüge durch ihre Tut-gut-Stadt geführt. Jetzt ist es eben an der Zeit, dem neuesten Trend der Serienproduktion, der Einführung in die Behindertenproblematik, zu gehorchen. Und wer könnte behinderter sein als zwei knuddelige Schnepfen zwischen Liebe, Job und Altbauwohnung. Selbst die Frage nach dem so beliebten »product placement« entfällt spätestens nach dem Reinziehen der ersten Mädchenfolge. Verkauft werden nämlich nicht Wet Gel, Crunchi- Flocken oder Faltencreme, sondern das eine große Produkt: Hühnchen in der Friteuse der Großstadt. S.A.F.T.

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