Sozi-Schelte für Wagner

■ SPD-Abgeordneter Thiemann gegen Straßenausbau im »zentralen Bereich«/ SPD-Stadtrat Thurmann: Ostberliner wollen endlich Auto fahren

Berlin. Schützenhilfe von der SPD bekommt AL-Umweltsenatorin Michaele Schreyer im Streit um die Straßenplanung im »zentralen Bereich« zwischen Potsdamer Platz und Reichstag. Auf einer Diskussionsveranstaltung des Vereins Stadttor am Montag abend wandte sich der verkehrspolitische Sprecher der Westberliner SPD-Fraktion, Burkhardt Thiemann, gegen einen Ausbau der Leipziger Straße. Im Gegensatz zu SPD-Verkehrssenator Horst Wagner sei er dagegen, die Leipziger Straße zwischen Friedrichstraße und Potsdamer Platz auf dreimal drei Spuren auszubauen, erklärte Thiemann. »Wir können es uns nicht leisten, dem Individualverkehr Angebote zu machen«, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf den zu erwartenden Dauerstau in der Innenstadt [Was heißt erwartet? Es gibt ihn, von 8 bis 28 Uhr! d. säzzer], den kürzlich der TU-Professor Günter Hoffmann in einem Gutachten für Wagner prognostiziert hatte.

Thiemann ging sogar noch weiter. Zwischen Friedrichstraße und Spittelmarkt sollte die Leipziger Straße von jetzt acht auf vier Spuren verengt werden, schlug der Abgeordnete vor. Abschaffen will er die Entlastungsstraße südlich der Straße des 17. Juni. Thiemann bezeichnete es als »sehr bedauerlich«, daß der Senat in der bisherigen Diskussion über die Planung im »zentralen Bereich« dem öffentlichen Nahverkehr keinen Vorrang eingeräumt habe. Entgegen einem Senatsbeschluß von April seien die Auswirkungen neuer Straßen auf die Luftqualität überhaupt nicht untersucht worden. Auch die Rolle des Fahrrad- und Fußgängerverkehrs sei bisher ausgeblendet worden.

Damit bezog der sozialdemokratische Verkehrsexperte auch Front gegen seinen Parteifreund Clemens Thurmann, den Ostberliner Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr. Thurmann plädierte auf derselben Veranstaltung für eine Verbreiterung der Leipziger Straße zwischen Friedrichstraße und Potsdamer Platz. Ein Verzicht auf den Ausbau sei für ihn »nicht akzeptabel«, erklärte der Stadtrat. Der Ostberliner Sozialdemokrat griff dabei auf ein klassisches CDU- Argument zurück: Bevor der Autoverkehr verdrängt werden könne, müsse erst der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden.

Ohne die Entlastungsstraße würden die Autofahrer auf die Ostberliner Innenstadtstraßen ausweichen, fürchtet der Stadtrat. Thurmann sagte wörtlich: »Zu der Frage einer Westtangente gibt es keine Alternative.« Seine autofreundliche Haltung entschuldigte der SPD-Politiker mit dem Verweis auf die Mentalität seiner Ostberliner Mitbürger. Heute könnten sie »endlich« nach Herzenslust autofahren. [»Können« ist in dem Zusammenhang ein falscher Begriff! Sie wollen vielleicht, aber können — üben, üben, üben! Oder besser: Schwingt euch auf die Räder!! d. säzzer.] Sie davon abzuhalten sei »psychologisch sehr schwierig«. hmt