Diskussion im Mielkebunker

■ Volkskammerabgeordnete besuchen BesetzerInnen in der Normannenstr./ »Stasi baut Mafia-Strukturen auf«

Lichtenberg. Gestern kam wieder Bewegung in die immer noch furchterregenden Stasi-Gemäuer in der Normannenstraße. Um 17.30 Uhr trafen dort Abgeordnete der Volkskammerfraktionen des Bündnis 90, der SPD, der CDU, der DSU und der PDS ein, um sich mit den 30 Besetzern zu unterhalten. Ins Haus Nummer sieben, in dem die Bürgerrechtler jetzt schon eine Woche ausharren, ließ die Wachbrigade von Innenminister Diestel aber nur eine kleine Gruppe Abgeordnete des Stadtparlaments hinein. Die große Runde tagte im Haus gegenüber, auf Wunsch der Besetzer öffentlich. Die Bürgerrechtler, so Bärbel Bohley, wollten sich dabei über die Haltung der Fraktionen informieren und erreichen, daß in der Volkskammersitzung am Donnerstag entsprechend ihren Forderungen über den Umgang mit den Stasi-Akten entschieden wird. Reinhart Schult (Neues Forum), forderte am Anfang Innenminister Diestel auf, das Stasi- Gelände wieder der Presse zugänglich zu machen und erklärte zu der Anzeige wegen Hausfriedensbruch, daß »wir keinen Haus-Frieden gebrochen haben, sondern eine Verbrecherhöhle besetzt haben, um zu verhindern, daß von hier aus jemals wieder Unheil ausgeht«. Weiterhin gab er bekannt, daß im Haus 7 und 8 zwischen 70 und 80 ehemalige Stasi-Mitarbeiter arbeiten, die unkontrolliert Aktenzugang hätten. Sie hätten Beweise, sagte er weiter, das auf Anweisung des Staatsarchives stasitreue Archivare in den Bezirksarchiven noch nicht durchnummerierte Akten säubern oder vernichten würden. Die Stasi wäre dabei, eine mafiaähnliche Struktur in Politik und Wirtschaft zu bilden. Unter tosendem Applaus forderte er die Absetzung von Innenminister Diestel. Die Besetzer verlangten von den anwesenden Fraktionsmitgliedern, daß sie sich beim Umgang mit den Stasi-Akten an den entsprechenden Volkskammerbeschluß vom 24.8.90 halten und stellten zu entsprechenden Äußerungen fest: »Datenschutz darf nicht zum Spitzelschutz mißbraucht werden.« Das Treffen dauerte bei Redaktionsschluß noch an. Torsten Preuß