Anschluß der Buchhalter

■ Soll und Haben entscheiden über Sein oder Nichtsein MIT DER DM-BILANZ AUF DU UND DU

Berlin (taz/adn) — Noch in keinem Fall ist bisher bekanntgeworden, daß eines der zur Privatisierung anstehenden DDR-Unternehmen seine DM-Eröffnungsbilanz schon fertig hätte. Noch sitzen allenthalben die Wirtschaftsprüfer aus dem Westen abends in den Hotelbars, kippen sich die Hucke voll und versuchen am nächsten Tag weiter herauszufinden, welchen Wert das Ex- VEB oder das Ex-Kombinat hat, für das sie angeheuert worden sind. Vorläufige Zahlen sind allerdings in vielen Fällen schon zusammengestellt — und sie deuten darauf hin, daß Betriebe wie Leuna tatsächlich pleite gehen werden, wenn für sie kein Geldgeber gefunden wird.

Nicht groß von Bedeutung ist, daß die Buchprüfer im Prinzip noch im gesetzeslosen Raum schweben. Bis Ende September soll nun das Gesetz über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (D-Markbilanzgesetz) her, so wie es im ersten Staatsvertrag festgelegt worden ist. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Ministerrates wurde zur Anlage des Entwurfs zum Einigungsvertrag.

Mit der DM-Eröffnungsbilanz werden die DDR-Unternehmen den Unternehmen in der BRD und der EG gleichgestellt. Die Einzelabschlüsse der ehemaligen volkseigenen Betriebe enthielten bisher eine Reihe von Aktiv- und Passivposten, die nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches künftig nicht bilanzierungsfähig sind. Der Aktivposten Eigenkapital hatte bei den VEB keine wesentliche Bedeutung, dafür wurden Vermögensgegenstände häufig überbewertet, obwohl sie nach den West-Vorschriften schon längst hätten abgeschrieben werden müssen. Noch in den Abschlußbilanzen in DDR-Mark, die jeder Betrieb am Vorabend der Währungsunion anfertigte, wurden etwa die aus dem Westen importierten Vorräte brav in Mark der DDR ausgedrückt, indem der DM-Preis mit dem „Mittag-Koeffizienten“ 4,4 multipliziert wurde.

Für eine Übergangszeit bis zum 31.Dezember 1994 können Wertberichtigungen vorgenommen werden, die als Verluste gleich von der Steuer absetzbar sein werden. Die neuen Bestimmungen über die Kapitalausstattung ermöglichen den ehemaligen VEB bei Überschuldung eine Ausgleichsforderung gegenüber dem Mutterunternehmen oder der Treuhand. Ein reiner Blindposten, denn daß die Ausgleichsforderung realisiert werden könnte, glaubt doch niemand.

Die Unternehmen erhalten zur Bilanzerstellung je nach Größe Fristen von vier bis sechs Monaten eingeräumt. Für manche der großen Unternehmen schlägt somit erst nach den Wahlen endgültig die Stunde der Wahrheit. diba