Vorwürfe gegen britische Gewerkschaftsbosse

Konflikt um die Bergarbeiter-Streikkasse: Scargills Rücktritt wird gefordert  ■ Von Ralf Sotscheck

„Scargill und Heathfield kann man nicht trauen. Entweder sie treten freiwillig zurück, oder wir müssen sie rausschmeißen.“ Das sagte am Wochenende Trevor Toon, einst Mitstreiter der beiden britischen Gewerkschaftsbosse während des einjährigen Bergarbeiterstreiks 1984/85. Seit dem vergangenen Sommer hat sich jedoch die Stimmung an der Basis gegen Scargill und Heathfield gewendet.

Damals wurden Akten aus dem Büro der Bergarbeiter-Gewerkschaft NUM gestohlen. Einige Wochen später trat der leitende Geschäftsführer Roger Windsor aus der NUM aus und unterschrieb einen Vertrag beim 'Daily Mirror‘. Im März erschien dann seine Geschichte. Darin erhob Windsor schwere Anschuldigungen: NUM-Präsident Scargill und Generalsekretär Heathfield sollen Spendengelder aus Libyen, die für die streikenden Bergarbeiter bestimmt waren, für private Kredite und Hypotheken verwendet haben.

Außerdem sollen sowjetische Spendengelder für die britischen Bergarbeiter an die linke „Internationale Bergarbeiter-Gewerkschaft“ (IMO) in Paris — deren Präsident ebenfalls Arthur Scargill ist — weitergeleitet worden sein.

Die NUM setzte daraufhin eine Untersuchung unter Leitung des Anwalts Gavin Lightman ein. Lightman kam zu dem Ergebnis, daß sich Heathfield und Scargill zwar nicht persönlich bereichert hätten, daß jedoch die 1,4 Millionen Pfund (4,2 Millionen Mark) aus der Sowjetunion rechtmäßig der NUM gehören. Das bestätigte der sowjetische Gewerkschaftspräsident Wladimir Louniow in der vergangenen Woche, nachdem sein Vorgänger Mikhail Srebny bisher betont hatte, Scargill habe richtig gehandelt. Der Wechsel an der Führungsspitze belegt den Rechtsruck der osteuropäischen Bergarbeiter-Gewerkschaften. Die meisten sind bereits aus dem IMO ausgetreten und haben sich statt dessen der konservativen „Internationalen Bergarbeiter-Föderation“ angeschlossen. Die sowjetische Bergarbeiter-Gewerkschaft hat „wegen Scargills marxistischer Politik“ inzwischen dessen Rücktritt als IMO- Präsident gefordert.

Scargill und Heathfield reisten am Montag zu Verhandlungen mit der IMO nach Paris, um eine gerichtliche Auseinandersetzung wegen der sowjetischen Spende zu vermeiden. Dort einigten sich die beiden Organisationen darauf, daß die IMO eine „Spende“ von mindestens 700.000 Pfund nach London überweisen soll. Dieser Kompromiß muß morgen von der NUM-Geschäftsführung bestätigt werden. Damit ist der Konflikt um die Streikkasse für Scargill jedoch noch nicht beendet. Im November muß er sich wegen „falscher Kontenführung“ vor Gericht verantworten. Lightman hatte in seinem Bericht die Eröffnung von 17 verschiedenen Konten im Ausland kritisiert, auf die Spendengelder eingezahlt worden seien. Das sei gesetzwidrig. Scargill sagte dazu, er sei stolz darauf, die Gerichte überlistet und das Geld vor der Beschlagnahme gerettet zu haben. An einen Rücktritt denke er nicht. Trevor Toon sieht das anders: „Wir erwischen Scargill noch. Er wird am Ende mit Salman Rushdie zusammenleben müssen. Ich hoffe nur, Rushdie vertraut ihm nicht die Haushaltskasse an.“