Zwischen Streusalz, Eisen und Granit

■ Unterwegs im Industriehafen: Das Tor zur Welt als große Halde

Fischmehl rieselt in die Haare, Aluminiumgranulat knirscht unter den Schuhsohlen, Maschinen rattern und Möven schreien auf dem Gelände der Rhenus Lager und Umschlag Anlage im Bremer Industriehafen. Abteilungsleiter Werner Möller führte gestern eine Gruppe von rund zwanzig Neugierigen durch die Güter- Umschlagsanlage, die ihre Tore im Rahmen der Bremer Hafentage 1990 geöffnet hatte.

Die Gruppe von zwanzig kleinen Menschen bewegt sich auf dem großen Terrain zwischen 30 Meter hohen Wippkränen und Brücken-Kränen wie Ameisen. Vorbei geht es an Stapeln von zukünftigen Bremer Bordsteinen aus portugiesischem Granit und meterhohen und dreißig Tonnen schweren Granitblöcken aus Indien. Aus denen machen Künstler Skulpturen und Steinmetze Grabsteine.

Auch Berge gibt es auf dem Gelände, Berge aus einem Eisenmineral namens Ferrophosphor. Das wird im Osten der UdSSR abgebaut, per Schiff angeliefert und in der Erzbrechanlage der Firma Rhenus zermahlen. Wie eine Nußmühle macht die aus großen Brocken kiesgroße Krümel und feines Mehl, das bei Thyssen, Salzgitter Stahl oder gegenüber bei Klöckner zu Eisen und Stahl verarbeitet wird, oder in Fässern nach Nord-oder Südamerika, nach Japan oder Australien geliefert wird.

In einer großen Halle warten Eisenkugeln, Edelstahlrollen und Bleche auf ihren Weitertransport. Das Dach kann aufgefahren werden, damit die Kräne direkt hineingreifen können. Wenn die einlagernde Firma den Stahl nicht mehr loswird, ist das für Rhenus lukrativ, denn hier zu lagern ist teuern. So geht es dem Besitzer einer Streusalzhalde, die eine ganze Halle füllt : „Wenn es im nächsten Winter nicht kalt wird“, so Möller, „ist er pleite“.

Der Pier des Hüttenhafens, an der Rhenus liegt, ist 500 Meter lang. Vier Kräne und zwei Brücken können am Tag zwei bis drei Schiffe beladen. Ein kleines Küstenmotorschiff liegt da und guckt kaum über den Pier. Es kommt aus Holland und hat 350 Tonnen Dünger geladen. Nachdem der Schiffer festgestellt hat, daß er nicht unter den Weserbrücken durchkommt, wird seine Fracht auf ein Binnenschiff verladen. Zielort: Hemelingen.

Die großen Kräne füllen langsam den 5.000 Kubikmeter fassenden, zwanzig Meter tiefen Bauch des großen, 140 Meter langen Schiffes „Pembroke“, das an der Pier liegt und nur vom Rost zusammengehalten wird. 15.000 Tonnen Fracht kann es über die Ozeane bringen. Der Kran fährt mit gespreizten Beinen am Pier hin-und her. Behelmte Blaumänner streifen Bänder um die Kisten. „Jetzt die Zweiundzwanzignullneun!“ schreit einer. „Miß mal eben nach! Geh da mal weiter ran, da kommen noch kleinere!“ geht Anweisung an einen Arbeiter im Schiffsinneren. In den Kisten sind Maschinenteile für Neuseeland.

Inzwischen haben sich mehrere Hundertschaften von Möven auf das herabgerieselte Fischmehl gestürzt. Kreischend fliegen sie auf und lassen sich im Hafenbecken nieder. Beate Ramm