Seh'n oder Nichtseh'n

■ Radio Bremens Vorabendserie „Damals auf Burg Wutzenstein“

Vor Scham versinken! Nein: Hiergeblieben! Einschließen sollte man Euch ins Burgverlies zu Wutzenstein: Alle — und hört Ihr? Alle, die Ihr beteiligt seid an dieser Serie. Auch Du, mein Grünig, der Du als armer Shakespeare-Companist zwar Geld verdienen mußt — und haben sollst! Aber um Himmels-, Gottes-und Dreiteufelswillen: Mußt Du deine Komödiantenseele so unter Wert verhökern?

Bleiben wir gleich beim Narren, den Grünig runterreißt in dieser — wie steht's noch gleich im Pressetext? — „Serie, die im Mittelalter spielt.“ Und nicht genug: „Das Genre ist Comedy“. „Comedy“, Renato Grünig, nicht „Company“. „Comedy“ aber heißt im deutschen Fernsehen fast nie was Gutes. Und selbst wenn das Drehbuch (Drehbuch? Drehbuch? Darf man das Drehbuch nennen, was Krystian Martinek, Neithardt Riedel, Urs Eplinius u.a.!: u.a.! geschrieben haben) - also, selbst wenn das Schmähbuch einen Narren vorsieht, sollte sich einer, nur weil er ein närrisch guter Komödiant ist, lieber nicht angesprochen fühlen. Aber es ist nun mal passiert, und jetzt haben wir den Salat. Auch Du, mein Grünig, der Du mit rotgeschminkten Wangen und Schellenkappe eine geradezu peinigend unbedarfte Narrencharge machst.

Die anderen allerdings sind nicht mal Chargen, weder auf Knatter-noch Knallniveau. Sei es Kurt Weinzierl, Karl Lieffen, Hans Wyprächtiger oder Herbert Fux: allesamt hilflos und idiotisch in ihrem Hauruck-Bemühen, Comedy-Miene zum desaströsen Spiel zu machen, das von keiner inszenierenden Hand gestreift zu sein scheint. „Wie gewonnen, so zerronnen“ war der Titel der zweiten Folge, in der Herr von Wutzenstein gegen den Herrn von Klotzenstein Haus, Hof und Weib verspielt hat, dann wieder nicht, dann wieder doch — vorangetrieben von Dialogen wie „neues Spiel, neues Glück“, „auf einem Bein kann man nicht stehen“ oder „morgen ist auch noch ein Tag.“

„'Damals auf Burg Wutzenstein' nimmt das gegenwärtige Interesse am Mittelalter auf, aber keineswegs ernst“, behauptet der Pressetext und verhüllt damit beschönigend die Wahrheit über das Wutzenstein-Fiasko: Burg Wutzenstein nimmt das Interesse der Zuschauer an Unterhaltung auf, aber keineswegs ernst. Und selbst wenn sich Radio Bremen mit „Teufelsmoor“, „Rätsel der Sandbank“ oder „Ekkehard“ an die Spitze der Vorabendserien gesetzt hat — ein Schlangenfraß wie „Damals auf Burg Wutzenstein“ ist damit noch lange nicht legitimiert. Schreiben wir doch nach dieser Laienspiel-Pubertäts-Vorabendserie die Geschichte der Fernsehästhetik neu und loben die „Lindenstraße“ als Werk vom Niveau eines Ingmar Bergman. Sybille Simon-Zülch