MID LIFE LOVE

■ Die nächste Premiere der bremer shakespeare company: Antonius und Cleopatra

Schwierige Kinder sind ihren Eltern bekanntlich oft am nächsten. Shakespeares „Antonius und Cleopatra“, das die bremer shakespeare company am 15. September in einer Bearbeitung und Inszenierung von Norbert Kentrup und Pit Holzwarth herausbringt, ist so ein schwieriges Kind. Kentrup weiß das am besten: Dieses Spätwerk mit 45 Figuren, die an zahllosen Schauplätzen auftauchen, ein paar Sätze sagen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden, ist ein Lesedrama. Shakespeare hat es nie aufgeführt gesehen, auf der Bühne verunglückt es zuverlässig und wird kaum gespielt.

Inszenierungen und alte Filme, die die bremer shakespeares sich angesehen haben, fliehen oft in das, was Kentrup, „Muskeln und Sandalen“ apostrophiert: die Welt der sehnigen Ben Hurs und der exotischen Ägypterin, Cleo, die angeblich schönste Frau der Welt „liegt immerzu im Bett, und Du fragst Dich: Was soll das alles? Sobald Du auf die Schiene der Ausstattungsoper kommst, Rom, Ägypten, hast Du praktisch nur noch Ausstattungsprobleme. Wir haben uns entschieden: weg, weg, weg davon. Aber dann taucht die Frage auf, worum geht's in diesem Stück?“

Acht Wochen Vorbereitung, Lesen, Diskutieren, Merilyn French zur Macht der Männer zu Rate ziehen.„Worum geht's?“ Wenn Kentrup die psychisch-dramatischen Entdeckungen schildert, die er auch bei diesem Shakespeare-Text üppig gemacht hat unke ich : „Das kriegt Ihr nie auf die Bühne.“ Und er sagt: „Wir waren glücklich, daß wir's verstanden haben.“ Das gibt den bremer shakespeares den drive nicht nur bei diesem Stück: Erstmal verstehen. Das kapierte Komplizierte wieder einfach machen, so einfach, daß es auf die Bühne paßt, ist der zweite Schritt. Bis Picasso seine Taube in fünf Strichen malen konnte, sagt Kentrup, das ging auch nicht so schnell. Wer das so betont, hat sich oft geärgert, daß die intellektuelle Wühlarbeit nicht gesehen wird, ohne die es shakespeares scheinbar simple, manchmal geniale Einfälle nicht gäbe.

Worum es geht? Um die Liebe von Leuten, die nicht mehr jung sind. Cleopatra ist 38, Antonius so um die fünfzig. Antonius, der harte Mann aus Rom, ist das erste mal im Leben glücklich mit dieser Frau in Ägypten. Und verläßt sie just in dem Moment, als seine Frau Fulvia stirbt und er „fett und fröhlich“ (Kentrup) werden und im Osten mit dieser Frau leben könnte. Der Mann ist Soldat und Politiker, ihn packt die Angst, aus seinem römischen Leben rauszufallen. Soll es das gewesen sein, Caesar die Macht überlassen, oder gar Octavian und Lepidus, seinen Parteigängern? „Lebensmittekrise“ sagt Kentrup, der sich schon wieder und immer noch aufregt, wenn er seine Ideen zu diesem schwierigen Stück erzählt. In dem Antonius seinen Verrat an der Frau, an seinem Glück, seine Entscheidung für's Herrschen damit bezahlt, daß er schrecklich stirbt, wie fast alle Männer im Stück. Keiner kann loslassen, was er nicht hatte.

Übrigens auch so eine Szene, über der sie gegrübelt haben: Antonius stirbt und Shakespeare läßt scherzen dazu. Warum die Groteske? Weil Antonius seinen Tod aus dem Geschichtsbuch deklamiert, für die Nachwelt.

Die Cleopatra-Inszenierung setzt die der „Widerspenstigen Zähmung“ fort. Das Regieduo ist dasselbe, das Liebeskampfpaar Dagmar Papula / Renato Grünig auch. Eine Dagmar Papula, die mit kaum einer Rolle so gekämpft haben soll wie mit dieser. Kein Widerstand mehr gegen einen, der nur „liebt“, was er zurichtet, wie in der „Zähmung“, sondern eine Liebende ist zu spielen, die ihre Liebe lebt, obwohl sie ständig verlassen wird. Die bremer shakespeares korrigieren hier das Klischee von der verderbenbringenden Schönen am Text. Kentrup: „Cleopatra ist die einzige, die treu ist.“ Zu spielen und Selbstbewußtsein aufzubringen ist also für eine, die nach jeder Niederlage wieder auftaucht, die den, der sie verlassen hat, notfalls durch Phantasie präsent macht.

Und Grünig, warum wollte Kentrup ausgerechnet diesen zierlichen, schütterhaarigen Narren, der den soldatischen Heros gar nicht spielen wollte? Das ist doch kein Antonius! „Nicht,“ sagt Kentrup, „wenn man Muskeln und Sandalen will.“ Grünig habe den Zugang zur Rolle über Onassis gefunden. Onassis? Ja, das normale Männchen, das zu seinem (Un-)Glück die Gesamttraumfrau benötigt, außer der Callas noch die Kennedy. Uta Stolle

Falls Sie denken. für so Spannendes gibt es wieder keine Karten: Für ab 17. 9. gibt es!