»Ausländer sind keine Sündenböcke«

■ Die Berliner Kirchen rufen zur »Woche der ausländischen Mitbürger« auf/ 80 politische, religiöse und kulturelle Veranstaltungen geplant/ Politiker sollen verantwortungsvolle Ausländerpolitik machen

Berlin. Die diesjährige Woche der ausländischen Mitbürger findet vom 23. bis zum 29. September unter dem Motto »Die Würde des Menschen ist unantastbar« statt. In Berlin dauert die »Woche« etwas länger. Sie beginnt am 21. September mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Friedrichshainer Sankt-Bartholomäus- Kirche und endet am 12. November mit einem Vortrag über Ausländerarbeit in der DDR. »Wir wollten unsere Mitveranstalter nicht disziplinieren«, sagte Barbara Faccani vom Vorbereitungsausschuß gestern bei der Vorstellung des Programms. Die Themenvielfalt der 80 Veranstaltungen in Ost- und West-Berlin sollte nicht durch die Einschränkung auf eine Woche beschnitten werden.

Ein wichtiges Thema ist die Diskussion über das Ausländerwahlrecht. »Man kann nicht so viele Menschen auf Dauer von der Politik ausschließen«, sagte Faccani. Es sei schlimm, daß das bisher in der DDR geltende kommunale Ausländerwahlrecht mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wegfiele.

Das Bezirksamt Neukölln veranstaltet im Rahmen des Programms eine Internationale Filmwoche für Kinder. Im Haus der Kulturen der Welt startete bereits am 2. September eine Reihe von Sonntagsmatineen, in denen Exilschriftsteller über ihre Erfahrungen mit dem Flüchtlingsdasein berichten. Erwartet werden unter anderen Jürgen Kuczynske, der 1936 nach London emigrierte und heute in Ost-Berlin lebt, und Claudio Lange aus Santiago de Chile. Am 28. September, dem »Tag des Flüchtlings«, sollen am Rathaus Schöneberg und am Roten Rathaus Thesen für eine flüchtlingsfreundliche Politik angeschlagen werden.

Neben Diskussionen über politische Probleme wird es auch Gespräche über verschiedene Religionen geben. Außerdem stellen MitbürgerInnen aus anderen Ländern den BerlinerInnen ihre Kulturen vor.

Der Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg hat ein eigenes Programm für die Woche erstellt. Es gebe zwar bisher nur etwa 1.000 AusländerInnen in seinem Bezirk, sagte Bürgermeister Manfred Dennert, »aber wir rechnen damit, daß es demnächst mehr werden«. Mit den Veranstaltungen wolle Prenzlauer Berg eine »sinnvolle Integration« von AusländerInnen erreichen. Man wolle die verschiedenen Gruppen, die sich untereinander meist nicht kennen, in dieser Woche zusammenbringen.

Der Vorbereitungsausschuß appellierte an die Politiker, verantwortlich mit dem Thema Ausländerpolitik umzugehen. »Wir machen uns Sorgen um den Wahlkampf«, sagte Hanns Thomä-Venske, der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Die Parteien neigten dazu, mit »Volks- und Stammtischmeinungen« Minderheitenpolitik zu machen. Es bestehe die Gefahr, daß »in dem Versuch, das rechte Spektrum einzubinden«, die AusländerInnen als »Sündenböcke für alle möglichen Probleme« herhalten müßten.

Christel Blanke