Streit um das Hochschulgesetz

■ Humboldt-Universität und Gewerkschaft protestieren gegen die bevorstehende Ausdehnung des Westberliner Hochschulgesetzes auf Ost-Berlin/Wissenschaftssenatorin weist Kritik zurück

Berlin. Etwa 400 LehrerInnen, Angestellte und StudentInnen von Berliner Forschungseinrichtungen sowie Hoch- und Fachschulen protestierten gestern vor dem Roten Rathaus gegen die geplante Ausdehnung des Westberliner Hochschulgesetzes (Berl HG) nach Ost-Berlin.

Eine Abordnung der DemonstrantInnen übergab den im Rathaus tagenden Stadtverordneten ein Schreiben mit der Aufforderung, für die Humboldt-Universität und die anderen Hochschulen Ost-Berlins Rechtssicherheit zu schaffen. Das beträfe insbesondere die innere Selbstverwaltung und Organisation der Bildungseinrichtungen und die Sicherung bestehender Arbeitsrechtsverhältnisse.

Im Einigungsvertrag sind zwei- bis dreijährige Übergangsregelungen für den Hochschulbereich vorgesehen. Diese Zeit wolle zum Beispiel die Humboldt-Universität (HUB), so Rektor Heinrich Klein in einer Mitteilung, nutzen, um eigene Strukturen zu erarbeiten.

Der Plan von Wissenschaftssenatorin Riedmüller (SPD) sieht unter anderem vor, daß »die von den Hochschulen Ost-Berlins im Ergebnis des demokratischen Erneuerungsprozesses gewählten Organe« abgelöst werden sollten. Der Rektor solle künftig Präsident heißen und ein Aufsichtsgremium beiseite gestellt bekommen. Die HUB sehe in dem Gesetz »den Ausdruck eines mangelnden Verständnisses für die demokratischen Prozesse« an der Hochschule. Fink appellierte an Riedmüller, den Entwurf nicht weiterzugeben und an das Abgeordnetenhaus, dem Entwurf nicht zuzustimmen.

Riedmüller wies die Kritik Finks zurück. Die HUB werde in ihrem Umstrukturierungsprozeß unterstützt. Die innere demokratische Struktur könne jedoch nicht außerhalb des bestehenden rechtlichen Rahmens neu gestaltet werden.

Die Struktur der Selbstverwaltung an der HUB widerspricht in einigen Punkten dem Hochschulrahmengesetz (HRG) des Bundes. Das HRG, in dessen Rahmen das BerlHG eingebettet ist, garantiert den HochschullehrerInnen in allen Gremien eine Mehrheit von einer Stimme. Die Gremien der DDR-Hochschulen sind dagegen viertelparitätisch besetzt.

Nach Angaben der GEW plant die Senatorin auch, die Ostberliner Hochschulen, mit Ausnahme der HUB, den Westberliner Fachhochschulen gleichzustellen. Außerdem sollen die akademischen Grade des Lehrpersonals überprüft werden. Die Übernahme des BerlHG, so die GEW, sei ein Versuch, »den sofortigen und vollständigen Zugriff auf die HUB und die anderen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen« Ost-Berlins zu bekommen.

Strukturveränderungen, so Larissa Klinzing, zweite Vorsitzende der GEW, seien zwar »notwendig, aber nicht sofort und durch Gesetz«. Dazu sei die Situation in beiden Teilen der Stadt noch zu unterschiedlich. Die GEW befürchtet auch, daß durch die sofortige Übernahme des BerlHG Arbeitsplätze gefährdet sind.

Professoren wegen Stasi-Tätigkeit beurlaubt

Bereits vorgestern wurden sechs Professoren der HUB wegen ihrer Tätigkeit für den ehemaligen DDR-Staatssicherheitsdienst beurlaubt. Gegen die Hochschullehrer wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Namen erfuhr die Universität auf einer Volkskammer-Liste von ehemaligen MfS-Mitarbeitern, derzufolge noch sieben weitere Beschäftigte der Universität für die Stasi gearbeitet haben. chrib/dpa/adn