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Lost generation - sehr sanft

■ Barry Levinsons Debütfilm „American Diner“

Baltimore 1959: Eine Gruppe junger Männer trifft sich regelmäßig im „Fells Point Diner“, einem jener schmuddeligen amerikanischen Schnellrestaurants, um über Football, Musik, Mädchen, Sex, und was sonst im Leben wichtig ist, zu reden. Langsam bricht der Freundeskreis auseinander, manche Jungs gehen bereits zum College, andere wollen heiraten oder haben das schon getan. Jetzt warten sie gespannt auf Eddies Hochzeit, die er davon abhängig macht, ob seine Braut bei einem ominösen Football-Quiz 62 Punkte erreicht. Noch einmal scheint alles wie in alten Zeiten. Man lungert sich durchs Leben und nimmt sich gegenseitig hoch. Boogie wettet mit seinen Kumpels, daß ein von allen begehrtes, aber unnahbares Mädchen ihm in kürzester Zeit an die Hose geht. Im Kino dann manipuliert er die Wette auf seine Weise. Er schiebt seinen Pint durch den Boden eines Popcornbechers, aus dem die Schöne solange gedankenverloren nascht, bis sie plötzlich etwas merkwürdiges in der Hand hält und schreiend den Saal verläßt. Irgendwie gibt's eben immer Probleme mit den Frauen. „Früher, als ich noch nicht verheiratet war, da hatten wir jede Menge zu reden: Wann wir uns treffen, wo wir's treiben können und so. Jezt können wir es eigentlich jeden Tag machen. Aber wir haben nichts mehr zu reden“, gesteht der verheiratete Shrevie seinem Freund. Trotzdem werden die respektlosen jungen Herren am Ende alle Eddie zu seiner Hochzeit mit Elyse gratulieren, obwohl sie den Football-Test und damit ihre Männertauglichkeit nicht eindeutig bestanden hat.

Barry Levinson war 50 Jahre, als er den autobiographisch gefärbten Film 1982 drehte. Ein gefährliches Alter, um in sentimentale Rührung zu verfallen. Noch dazu war es Levinsons erste Spielfilm-Regie. Doch sein trockener Humor, dem man auch in seinen folgenden Filmen wie Tin Man, Good Morning Vietnam und Rain Man wiederfindet, bewahrten die Geschichte vor allzu wehmütiger Verklärung. Von der Grundstimmung liegt Diner irgendwo zwischen George Lucas' American graffiti und Coppolas Rumble Fish. Von MGM, dem Studio, das den Film finanzierte, war Levinsons Abgesang auf die fünfziger Jahre als Antwort auf die seinerzeit gängigen derben Klamauk-Komödien a la Porky's oder Animal House konzipiert, die ihren blassen Humor aus den angeblichen sexuellen Nöten amerikanischer Teenager ableiteten. Doch Levinsons subtile Gesellschaftsstudie fand beim Publikum wenig Anklang. Diner war ein Flop,der schon bald wieder aus den Kinos verschwand.

Nicht nur in dieser Hinsicht ist er mit Rumble Fish vergleichbar, der in den USA durchfiel, sich in Europa allerdings zum heimlichen Kultfilm entwickelte. Beide Filme bestechen durch ihren Hauptdarsteller Mickey Rourke. Der Debütant Levinson verschaffte dem bis dahin noch relativ unbekannten Schauspieler seinen ersten größeren Leinwandauftritt. Rourke verkörpert die Rolle des Aufschneiders und Kleinganoven Boogie noch mit jenem unverbrauchten, verwegen-unterkühltem Charme, der ihm bei seinen nachfolgenden Kinoerfolgen wie 9 1/2 Wochen oder Im Jahr des Drachen zur sturen Macho- Maske gerinnen soll. Und noch ein Star wurde im Diner geboren: Ellen Barkin, die spätestens seit dem Erfolg von The big Easy in Hollywood als „der selbstbewußte Frauentyp der 90er Jahre“ gehandelt wird, hatte in Levinsons Männerromanze ihr Debüt. Zu Kultfilm-Ehren wird American Diner deshalb trotzdem nicht mehr kommen. Dazu war Levinsons Regie noch zu unentschlossen, die Geschichte driftet manchmal ist allzu Sanft-Liebenswerte ab, so, als scheue der Regisseur den offenen Konflikt so sehr wie seine Protagonisten. In guter Erinnerung bleiben vor allem einige athmosphärisch gelungene Szenen und die Musik. Passend zum 50er- Jahre-Stimmungsbild läßt Levinson die Hits von damals noch einmal Revue passieren: Chuck Berry, Fats Domino, Jerry Lee Lewis, Frank Sinatra, Elvis Presley. Die schönste Szene des Films spielt in einem abgetakelten Nachtclub. Zwei der Jungs sitzen an der Bar und folgen gelangweilt den Hüftschwüngen der üppigen Striptease-Tänzerin. Auch sie hat schon bessere Tage gesehen. Plöztlich setzt sich einer der beiden ans Klavier und spielt einen fetzigen Rock'n Roll. Allgemeine Irritation, dann zustimmender Beifall vom Publikum. Die Tänzerin hat sich von dem Rhythmus anstecken lassen und rockt mit. Der alberne Animierfummel und die viel zu hohen Hacken sind mit einem Mal völlig nebensächlich. Das einzige, was zählt, ist der Groove. Ganz egal, ob sich das nun seinerzeit in Baltimore so abgespielt haben könnte oder nicht, es ist eine hinreißend ausgelassene Filmsequenz. Ute Thon

Barry Levinson: American Diner, mit Mickey Rourke, Steve Guttenberg, Keviin Bacon und Ellen Barkin, USA 1982, 110 Min.

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