Niedrigstrahlung: „Der Tod, der aus der Erde kommt“

Das geplante „World Uranium Hearing“ will Opfer des Uranabbaus und der Atomwaffentests zu Wort kommen lassen/ Alarmierende Statistiken  ■ Aus München Luitgard Koch

Das Uran für die deutschen Atomkraftwerke wird fast ausschließlich aus dem Ausland importiert. Zum Beispiel aus der Region, in der die australischen Aborigines lebe. Durch den Uranabbau entstandene Halden verseuchen das Land, denn das dort abgelagerte Gestein enthält bis zu über ein Viertel der ursprünglichen Radioaktivität und strahlt weiter vor sich hin. „Können wir angesichts dessen noch von einer ,friedlichen Nutzung der Kernenergie‘ sprechen?“ Diese Frage haben sich Atomkraftgegner und kritische Wissenschaftler gestellt. Für die Initiatoren des „World Uranium Hearing“ heißt die Antwort ganz eindeutig „Nein“.

Im Herbst nächsten Jahres wollen sie deshalb ein Forum für die Betroffenen und die Opfer der Atomwaffentests schaffen und ihnen so Gelegenheit geben, der Welt ihre physische und kulturelle Zerstörung mitzuteilen. Ein „Board of Listeners“ aus prominenten Künstlern, Wissenschaftlern, Politikern soll ihnen zuhören. Als ersten Schritt zur Aufklärung haben die Initiatoren jetzt einen Videofilm mit dem Titel Der Tod, der aus der Erde kommt produziert und der Presse vorgestellt.

Eindringlich wird die todbringende Strahlkraft des Atoms dargestellt, Opfer von Atombombenversuchen auf dem Bikiniatoll schildern ihre Horrorerlebnisse, australische Ureinwohner erzählen von der Zerstörung ihres Lebensraums. „Die Zahl derer, die gut finden, was wir machen ist groß, aber die Zahl derer, die glauben, daß es uns gelingt, klein“, so der Initiator, Claus Biegert.

Ein düsteres Szenario der Strahlenwirkung von Atomkraftwerken zeichnet der amerikanische Ökonom und Statistiker Dr. Jay Gould. Gould war in der Carter-Ära Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der US- amerikanischen Environmental Protection Agency und gehört zusammen mit Ernest Sternglass, Rosalie Bertell und Alice Stewart zu den exponierten, aber auch nicht ganz unumstrittenen Experten der Niedrigstrahlenforschung. Gould vertritt die These, daß sehr niedrige Strahlendosen menschliche Zellen wirksamer zerstören als hohe.

Untersuchungen hätten bestätigt, daß bei geringer radioaktiver Bestrahlung extrem reaktive Ionen, freie Radikale, gebildet werden, die das Immunsystem äußerst wirksam schädigen können. Belegt sieht Gould seine These durch die in den USA monatlich veröffentlichten Sterbestatistiken, anhand derer man nachweisen könne, daß die Säuglingssterblichkeit abnorm anstieg, als die USA und die UdSSR in den fünfziger und sechziger Jahren den Großteil ihrer Atomversuche in der Atmosphäre durchführten. Außerdem starben in diesen Jahren der Atombombenversuche in den USA plötzlich sehr viele fünf- bis neunjährige Kinder an Krebs.

Erst jetzt zugänglich gemachte Statistiken zeigen, daß in der Schweiz die Milch in den Jahren 1962 bis 1964 mit dem radioaktiven Spaltprodukt Strontium 90 verseucht war. Strontium 90 hat eine sehr lange Halbwertszeit, wird in den Knochen fixiert und gibt somit Niedrigstrahlung über die ganze Lebenszeit in den Körper ab. Ursache für die hohen Werte in der Schweiz sind nach Ansicht Goulds die Atombombenversuche der UdSSR in den 60er Jahren. Hier zeigen sich anhand ähnlicher Sterbestatistiken wie in den USA, daß die Todesrate der Altersgruppe der 25 bis 34jährigen extrem anstieg. „Das ist wahrscheinlich einmalig in der Geschichte, außer in Kriegszeiten, daß gerade diese Altersgruppe schneller stirbt als andere“, betonte Gould. Junge Leute sterben heute demnach schneller als ihre Väter und Großväter. Außerdem wies Gould daraufhin, daß es vor Beginn der Atomwaffentests Krebs bei Kindern nicht gab, erst danach kam es zu einem epidemischen Anstieg. Ebenso zeigt eine erst jetzt veröffentlichte Statistik, daß in den Schweizer Kantonen ohne AKWs die Kindersterblichkeit äußerst niedrig ist.

Der Videofilm kann für 45 Mark bestellt werden bei „The World Uranium Hearing e.V.“ Praterinsel 4 D-8000 München 22, Tel. 089/2285924.