Giftgas in Nordenham angekommen

■ Alltäglicher Morgen in einer gewöhnlichen Kleinstadt / Schulbesuch wie üblich

Es hätte ein ganz gewöhnlicher Morgen in Nordenham werden können. Wenn nicht diese Unmenge an Bundesgrenzschützern, Journalisten und Polit-Prominenz die ersten beiden Giftgas-Bahntransporte eskortiert und damit den Frieden gestört hätte, den die Einheimischen mit dem gefährlichen Lagergut geschlossen haben. Um halb sieben gestern morgen, etwa eine Stunde später als geplant, waren die Chemiewaffen vom öffentlichen Gleis in den privaten Midgard-Hafen gerollt. Bis 14 Uhr waren die Container auf die beiden US-Frachter entladen, die Begleitmannschaften zurück in Miesau für den nächsten Transport. Aus Angst vor den gefährlichen Stoffen hatten nur wenige Nordenhamer die Stadt verlassen. Selbst die Schüler, denen der Unterrichtsbesuch freigestellt war, hockten wie gewohnt in den Klassenräumen. Die Besorgnis, für die nächste Klausur schlecht präpariert zu sein, war größer. Warum für so viele BewohnerInnen die Ankunft der Giftgasgranaten nicht außergewöhnlich war, mag einen Grund haben: Seit den Emissionen aus der Bleihütte, der Dünnsäure bei Kronos-Titan, dem nahen Kernkraftwerk Esensham, den jahrelangen Munitionstransporten leben sie täglich mit der potentiellen Katastrophe.

anh / Foto links: W. Steinberg