Muß Stockholm von Berlin lernen?

■ Umweltsenatorin Schreyer über ihren Besuch in Stockholm/ »Stockholmer Modell sehr interessant« INTERVIEW

Zwei Tage lang war die Westberliner Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL-nah) auf Einladung der dortigen Stadtregierung in Stockholm. Die taz befragte Schreyer nach ihrer Rückkehr über ihre Erfahrungen in der schwedischen Hauptstadt, die vor allem für ihre wegweisende Verkehrspolitik bekannt ist.

taz: Frau Schreyer, ist die Stockholmer Verkehrspolitik ein Vorbild für Berlin?

Schreyer:Sie ist ein Vorbild, was die sehr ausgedehnten Busspuren betrifft, die es in Stockholm auf den zentralen Adern und in der Innenstadt schon sehr lange gibt. Teile der alten Innenstadt sind gänzlich für den Verkehr gesperrt. Ich interessierte mich aber insbesondere für das Vorhaben, in der Innenstadt Gebühren für den privaten Autoverkehr zu erheben.

Das berühmte Stockholmer Modell also ...

Ob dieses Modell in Stockholm überhaupt, wie es vorgesehen war, zum 1. Januar realisiert wird, ist derzeit in der Schwebe. Das Papier aus England für die entsprechenden Tages- und Monatskarten ist zwar schon bestellt. Bei den Sozialdemokraten in Stockholm gibt es aber die Tendenz, das Vorhaben nun doch nicht umzusetzen. Es hatte sich herausgestellt, daß die rechtliche Grundlage fehlt, und man streitet sich, ob es sich bei diesen Gebühren tatsächlich um Gebühren oder um eine Steuer handelt, die die Stadt gar nicht erheben könnte. Die Sozialdemokraten hoffen jetzt auf eine Ölpreiserhöhung durch die Golfkrise, die dann den Verkehr etwas reduzieren könnte.

Läßt sich das Stockholmer Modell denn auf Berlin übertragen — wenn es schon in Stockholm nicht klappt?

Die rechtliche Problematik stellt sich für uns natürlich auch: Können wir derartige Abgaben überhaupt erheben? Auf der anderen Seite stehen wir zur Zeit in West-Berlin vor der Frage, durch welche Maßnahmen wir den Durchgangsverkehr aus dem »zentralen Bereich« verbannen können. Das läßt sich zum einen dadurch realisieren, daß Straßen nicht ausgebaut, sondern etwa entwidmet werden. Zum anderen muß man sich aber fragen, welche anderen Steuerungsmöglichkeiten es gibt. Modelle wie in Stockholm sind deshalb für uns von höchstem Interesse.

Wird in Berlin demnächst ein ähnliches Modell eingeführt?

Ich kann leider nicht andeuten, daß in absehbarer Zeit ein derartiges Modell eingeführt würde.

Aber Sie wären dafür?

Wir müssen eine Maßnahme ergreifen. Es reduziert einfach die Qualität der Innenstadt, wenn der Autoverkehr dort noch weiter zunimmt. Wenn wir Hauptstadt werden wollen, müssen wir den Abgeordneten auch die Möglichkeit schaffen, überhaupt zum Parlamentsgebäude zu kommen, ohne stundenlang im Stau zu stehen. Von der Senatsverkehrsverwaltung wird eine Parkraumbewirtschaft angestrebt. Das ist sicher ein ganz wesentlicher Schritt. Ob das ausreichen wird, müssen die Erfahrungen zeigen. Interview: hmt