Mit Rabumm in die deutsche Einheit

■ Zum »Fest der Einheit« am 2. und 3. Oktober sollen Glocken läuten, Künstler jubeln und Feuerwerk krachen/ Staatsakt muß ohne Bush und Gorbi auskommen/ Schwierzomper ruft Kulturia zur Mitwirkung auf/ Regierungserklärung Kohls im Reichstag

Berlin. In der Stunde Null das Ohropax nicht vergessen! In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober kurz vor der deutsch-deutschen Vereinigung wird den BerlinerInnen zuerst die Freiheitsglocke und um 0 Uhr dann die Nationalhymne in den Ohren dröhnen. Während bei dem offiziellen Festakt vor dem Reichstag zwei Jugendliche aus Ost und West die fürderhin gesamtdeutsche Flagge hochzerren, werden Kanzler Kohl und Konsorten, begleitet von einem deftigen Bläserensemble, dortselbst in das Deutschlandlied einstimmen. Die Oggy-Horror-Picture-Show mit dem Star aus Oggersheim wird zur Geisterstunde mit einem dreißigminütigen und an drei Stellen in der Stadt gezündeten Feuerwerk beschlossen.

Wer sonst noch aus der Riege der Politprominenz während der beiden tollen Tage in Berlin wo auftritt, das steht noch nicht fest. US-Präsident Bush hat seinen Freund Helmut mit einer definitiven Absage jedoch schon zutiefst frustriert, und nun mag höchstwahrscheinlich auch Gorbatschow nicht mehr kommen. Ob sich unter diesen Umständen dann noch Maggie Thatcher und Fran¿ois Mitterrand in Berlin blicken lassen, ist sehr fraglich. Und in den internationalen Botschaften laufen noch komplizierte Absprachen, welche Ländervertreter wie erscheinen.

Fest steht aber wenigstens der zeitliche Rahmen von det Janze. Am Abend des 2. Oktober wird zuerst die DDR-Regierung mit einem Festakt und einem Konzert im Schauspielhaus ihren eigenen Untergang feiern. Helmut Kohl, Lothar de Maizière und Sabine Bergmann-Pohl werden ihre Reden schwingen. Gegen Mitternacht begibt man sich dann auf die Treppen des Reichstags, um — siehe oben.

Für das einfache Volk werden derweil, von 20 Uhr bis etwa 2 Uhr, Brot und Spiele geboten. Auf dem Marx- Engels-Platz, im Lustgarten, auf dem Platz vor dem Roten Rathaus, dem Alex, in öffentlichen Gebäuden, Kultureinrichtungen und Kirchen im Bereich des alten Stadtzentrums sollen Kulturschaffende auftreten — möglichst umsonst. Beide Berliner Bürgermeister riefen gestern alle Künstler, Sänger, Fiedler, Musikanten, Jodler, Rundfunkanstalten, Kabarettisten und Schauspieler dazu auf, sich am »Fest der Einheit« und dem »Tag der Freude für alle Deutschen« mit eigenen Beiträgen umsonst und draußen zu beteiligen (Anmeldung bei der Senatsverwaltung für Kultur, Tel.: 2123-2528/9).

Am 3. Oktober, dem neuen Nationalfeiertag, soll das öffentliche Verlustieren von 10 bis 22 Uhr Unter den Linden bis zum Alex weitergehen — gerechnet wird dabei zwischen einer halben und einer ganzen Million Besucher. Derweil werden sich die Schwarzbefrackten bereits um 9 Uhr zu einem ökonumenischen Gottesdienst in der Marienkirche einfinden. Anschließend, so ist ab 11 Uhr geplant, begeben sich die deutsch-deutschen Spitzen aus allen politischen Verfassungsorganen, der Industrie, der Gewerkschaften und der Kirche zu einem weiteren Staatsakt in die Philharmonie. Zwischen Bach, Haydn und Brahms werden Sabine Bergmann-Pohl, Rita Süssmuth, Walter Momper und Richard von Weizsäcker ihre Ansichten vom Tage zum besten geben. Anschließend: Empfang für geladene Gäste.

Und weil das alles dem triumphierenden Schwarzen immer noch nicht reicht, wird er am 4. Oktober erstmals als Kanzler aller Deutschen eine Regierungserklärung im Reichstag verlesen. Zuvor sollen die neuen Minister ohne Geschäftsbereich vereidigt werden, die aus den Überresten der DDR in das gesamtdeutsche Kabinett gerettet wurden. usche