Zurück zum normalen Chic

■ „Vorwärts“, Mi., 12.9., ARD, 23.45 Uhr

Ein Ausbund niederträchtigster Gemeinheit sind sie, sadistisch veranlagt und von nachgerade bodenloser Bosheit: die Fernsehansagerinnen. Immer verraten sie einem alles im voraus, beten Vor- und Nachspann herunter, offenbaren alle Pointen oder daß der Gärtner der Mörder war. Auch an diesem Abend saß da so eine infame Person und erzählte uns Zuschauern ganz harmlos, der folgende Film, also Vorwärts, sei der diesjährige Beitrag der ARD zum 30.Jubiläum der Goldenen Rose von Montreux. Man stelle sich vor: Sitzt da und sagt das so vor sich hin, als ob nix wär'. Dabei war uns doch schon beim Lesen der Inhaltsangabe klar, daß wir diese hübsche Kurzfilmidee bereits kannten.

Zehn Jahre alt ist der Zelluloidschnipsel mit dem Titel Rückwärts, in dem damals Otto Sander umgedreht wurde. Bereits 1981 bekam der Film das Bundesfilmband in Silber, sackte 1984 die Preisprämie des Instituto Luce in Rom ein und wurde verwertet in dem Episodenspielfilm Z.B. ... Otto Spalt (Hauptrolle Otto Sander, Nebenrolle Udo Samel), den sein Regisseur René Perraudin 1987 in bundesdeutsche Kinos spulte und der neben dem Prädikat „Besonders wertvoll“ auch noch den Saarbrücker „Max-Ophüls-Preis '87“ zuerkannt bekam. Und dann mit derselben Idee auch noch die Goldene Rose in Montreux abzwacken wollen? Meine lieben öffentlich-rechtlichen Damen und Herren, das ist doch ganz schön unverschämt.

Trotzdem, der Film war lustig. Udo Samel verbrachte die schier akrobatische Glanzleistung, sich als einziger Schauspieler rückwärts durch diesen Film zu bewegen. Die Story geht — läßt uns da Kafka grüßen? — folgendermaßen: Otto Trebert (man lese den Namen einmal rückwärts) wacht morgens auf, und die Welt bewegt sich verkehrt herum. Seine Mitmenschen sprechen, essen, gehen, fahren rückwärts, was Otto beinahe das Leben kostet. Er wird zum Außenseiter, aber auch zum Objekt von Wissenschaft und Boulevardmedien. Bis seiner Mutter der rettende Gedanke kommt: Otto muß umlernen. Buchstäblich Schritt für Schritt lernt Otto, richtig, das heißt also rückwärts, zu gehen. Am Ende joggt er fröhlich rückwärts durch die Straßen. Nur ein Hund, der gerade sein Geschäft verrichtet hat, irritiert ihn — der läuft nämlich plötzlich wieder vorwärts...

Mit dem Roman Die Zeit: Auf Gegenkurs hat der Sicence-fiction-Autor Philip K.Dick 1967 schon einmal so etwas Ähliches in literarischer Form versucht. Da werden die Toten in ihren Gräbern lebendig und leben ihr Leben quasi rückwärts. Aber irgendwo haken diese Geschichten halt immer. Auch in Vorwärts gibt es Stolpersteine. So geht einmal Ottos Mutter mit ihm zusammen vorwärts durch eine Tür, dreht sich dann um und steigt rückwärts die Treppe hinauf — das widerspricht der selbstauferlegten Logik des Films. Dennoch alle Achtung vor der Leistung des Teams — und nun „zurück zum normalen Chic“. Herr Dittmeyer