Der Liquidationsvertrag

Rezension der Bundestagsdrucksache 11/7760: Kein Vertrag über eine Einigung, sondern die Einigung über einen Vertrag Irgendwann werden wir für diesen politischen Konstruktionsfehler zu zahlen haben  ■ Von Ulrich K.Preuß

In die Geschichtsbücher wird der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands“ ganz zutreffend als der juristisch entscheidende Schritt zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten eingehen. Ob er jedoch als ein Dokument der politischen Vereinigung gelten wird, die er doch wohl mit dem Namen „Einigungsvertrag“ vor allem herzustellen beansprucht, ist dagegen sehr zweifelhaft. Bereits die Form des Vertrages ist geeignet, den wahren politischen und auch den rechtlichen Kern des Vorgangs zu verdecken. Die innere Voraussetzung einer Vertragsbeziehung, die Existenz gegenläufiger Interessen und die Fähigkeit, sie in Vertragsverhandlungen geltend zu machen, hat auf Seiten der DDR spätestens seit dem 18.März dieses Jahres gar nicht mehr vorgelegen. Rechtlich hätte die Vereinigung komplikationslos auch durch eine einseitige Beitrittserklärung der DDR und durch ein ebenso einseitig erlassenes Überleitungsgesetz der Bundesrepublik vollzogen werden können. Der Vorgang, mit dem wir es bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu tun haben, ist nicht der einer durch Vertrag begründeten Staatenverbindung in der Form einer Staatsgründung, kein politischer Einigungsvertrag mithin, sondern eine technisch ziemlich perfekt organisierte Staatennachfolge: die Bundesrepublik tritt die Nachfolge der Gebietsherrschaft der DDR an. Sie ist, wie man sagt, der „Erwerberstaat“, und wenn auch dieser Erwerb auf dem Entschluß der frei gewählten Organe der DDR beruht, so ändert dies nichts daran, daß spätestens nach dem Beitrittsbeschluß der Volkskammer die erwerbende Bundesrepublik auch rechtlich frei ist, auf dem erworbenen Gebiet die ihr zweckmäßig erscheinenden Rechtsverhältnisse einzuführen. Bekanntlich war die DDR auch bereits vor dem formellen Beitrittsbeschluß vom 22.August aus politischen Gründen gar nicht in der Lage, die Frage des Beitritts zum Gegenstand von Verhandlungen mit der Bundesrepublik zu machen, so daß der Vertrag, auf dessen Abschluß beide Regierungen aus politisch-symbolischen Gründen Wert legten, von Anbeginn kein „Vertrag zur Herstellung der Einheit Deutschlands“ werden konnte, sondern nur ein Vertrag über die Folgen der politisch außerhalb des Vertrages bereits hergestellten Einheit. Er ist in seiner Substanz ein Staatsliquidations- oder -abwicklungsvertrag. Bereits die Verhandlungssituation selbst war denn auch, abgesehen von den ungleichen politischen Ausgangsbedingungen, schwerlich kontradiktorisch. Auf beiden Seiten saßen hohe Bonner Ministerialbeamte, und von einigen kann man hinter vorgehaltener Hand erfahren, daß die beteiligten DDR- Ministerialen ihren Bonner Kollegen mit dem Selbstbewußtsein von Prüflingen gegenübertraten, die nicht ganz zu Unrecht annahmen, daß sie bei dieser Gelegenheit sehr genau auf ihre Eignung für die spätere Übernahme in den begehrten Beamtenstatus gemustert würden. Wer einmal die Erfahrung machen konnte, an den Beratungen einer deutsch-deutschen Verhandlungskommission teilzunehmen und dabei die ans Peinliche grenzende Anpassungsbereitschaft frisch gewendeter SED-Kader an die nun herrschenden Doktrinen und Gewißheiten erlebt hat, wird im Falle des „Einigungsvertrages“ mit dem Begriff der „Vertragsverhandlungen“ keine allzu anspruchsvollen Vorstellungen verbinden. Der „Einigungsvertrag“ ist nicht ein Vertrag über eine Einigung, sondern die Einigung über einen Vertrag – eine von Anbeginn feststehende politisch- rechtlichen Lage wird in den Mantel eines Vertrages gehüllt.Seine Struktur folgt denn auch weitgehend der inneren Logik der Staatennachfolge. Er regelt die Erstreckung der Rechtsordnung der Bundesrepublik einschließlich der von ihr abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge auf das Gebiet der ehemaligen DDR, enthält Bestimmungen über das Schicksal der von der DDR abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge, über ihr Vermögen und ihre Staatsschulden, über Liquidation, Fortbestand oder Umwandlung öffentlicher Einrichtungen (wie z.B. der Akademie der Wissenschaften oder des Rundfunks der DDR) und trifft schließlich Bestimmungen über die Weitergeltung und Anerkennung in der DDR erworbener schulischer, beruflicher oder akademischer Abschlüsse und Befähigungsnachweise.Es ist klar, daß das Recht der Bundesrepublik nicht von einem Tag auf den anderen unverändert der Gesellschaft der bisherigen DDR übergestülpt werden kann, und so finden sich denn in der Vertragsanlage I auf fast 250 Seiten Verweise auf Tausende von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik, die entweder von der Geltung in dem neu erworbenen Gebiet der DDR vollständig ausgenommen, dort mit modifiziertem Inhalt gelten oder die aus Anlaß der Vereinigung mit Wirkung für das gesamte Bundesgebiet geändert oder aufgehoben werden sollen. Auf nochmal knapp hundert Seiten zählt dann Anlage II hunderte von Rechtsvorschriften der DDR auf, die unverändert oder modifiziert in Kraft bleiben — insgesamt eine von den fleißigen Referenten aller Ressorts zusammengetragene Rechtsmasse, die so ziemlich alles zwischen dem Altsparergesetz über das Milchaufgabevergütungsgesetz bis zur Zweiten Meldedatenübermittlungsverordnung umfaßt, was irgendwann einmal eine rechtliche Regelung erfahren hat. Kein einzelner Jurist kann das vollständig übersehen, und es bleibt rätselhaft, wie die Abgeordneten des Bundestages und der Volkskammer nach wenigen Tagen Vorbereitungszeit darüber sachverständig abstimmen sollen. Dabei finden sich in den Vertragsanlagen politisch hochbrisante Regelungen. So werden, um ein Beispiel zu geben, alle diejenigen nicht ganz wenigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der DDR, deren Beschäftigungsstelle nicht vom Bund oder den neuen Ländern der DDR übernommen wird, nach einer sechs– bis höchstens neunmonatigen Übergangsfrist automatisch arbeitslos; während der Frist erhalten sie ein Wartegeld von 70% ihres bisherigen Einkommens. Aber auch diejenigen, die davon nicht betroffen sind, können wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung oder wegen mangelndem Bedarf ohne weiteres gekündigt werden. Eine außerordentliche Kündigung ist u.a. gegenüber ehemaligen Beschäftigten der Stasi zulässig, wenn deren Weiterbeschäftigung unzumutbar erscheint. Auf der anderen Seite wird in dem Vertrag ausdrücklich die Einführung des Berufsbeamtentums auch in der ehemaligen DDR vereinbart; die neuen Länder der DDR müssen das für ihre Behörden bis zum 31.Dez. 1992 vollzogen haben. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes der DDR können dabei zunächst nur als Beamte auf Probe mit einer Probezeit von drei Jahren eingestellt werden. Es wird also – abgesehen von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern – keine pauschale politische Säuberung geben, aber doch viele Gelegenheiten, dem hierzulande auf dem Rückzug befindlichen Konzept der politischen Treuepflicht eine Renaissance zu bescheren. Fast völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit ist in der Anlage II zu dem Vertrag auch eine kleine Sensation versteckt: die Einführung der Kirchensteuer.

Renaissance der politischen Treuepflicht

Noch bedeutsamer aber dürften zwei andere Gesetzentwürfe sein, nämlich das „Gesetz über besondere Investitionen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet“ – damit wird durchgängig das Territorium der ehemalligen DDR umschrieben – sowie das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“. Letzteres regelt detailliert die Rückübertragungen von Vermögenswerten (Grundstücke, Unternehmen, Forderungen), die von der DDR entschädigungslos enteignet, "aufgrund unlauterer Machenschaften" von staatlichen Stellen oder Dritten erworben oder unter staatliche Verwaltung gestellt worden sind. Nicht betroffen von diesem Gesetz sind die auf besatzungsrechtlicher Grundlage vorgenommen Enteignungen der Zeit zwischen 1945 und 1949, die in Wirklichkeit gar keine Enteignungen, sondern quasi-revolutionäre Entwährungen waren. Gemeint sind hier also insbesondere die Ergebnisse der Bodenreform. Ist dies einer der wenigen Punkte des Vertrages, wo die DDR-Regierung ihren von Anfang an eingenommenen Standpunkt konsequent durchgesetzt hat, so ist noch überraschender, daß der das Gesetz beherrschende Grundsatz der Rückübertragung der unter der Verantwortung der DDR entzogenen Vermögenswerte durchaus moderat durchgeführt wird. Ausgenommen ist davon z.B. der redliche Erwerb durch natürliche Personen, so daß der gutgläubige Erwerb eines Grundstücks für die in der DDR so beliebte Datscha Bestand hat. Ausgeschlossen ist die Rückübertragung aber etwa auch bei Grundstücken und Gebäuden, die dem Gemeingebrauch gewidmet, die im komplexen Wohnungsbau oder Siedlungsbau verwendet oder in ein Unternehem integriert worden sind, aus dem sie nicht ohne Schaden wieder gelöst werden können. Damit bleiben die Eigentumsverhältnisse in bezug auf einen erheblichen Teil des Wohnungsbestandes ebenso bestehen wie die am Vermögen der volkseigenen Betriebe, deren vorgesehene Privatisierung dadurch erleichtert wird. Die früheren Eigentümer werden in all diesen Fällen entschädigt. Einen noch weitergehenden Ausschluß von der Rückgabe von Grundstücken und Gebäuden sieht schließlich ein „Gesetz über besondere Investitionen“ vor: wer ein volkswirtschaftlich wichtiges Investitionsvorhaben im Gebiet der ehemaligen DDR nachweist, kann ein dazu erforderliches Grundstück auch dann wirksam erwerben, wenn es einem Rückgabeanspruch ausgesetzt ist.

... kann jederzeit durch einfaches Gesetz gestrichen werden

Betrachtet man diese und eine Vielzahl anderer Regelungen des Vertrages und seiner Anlagen, so gewinnt man den Eindruck, daß er, wie sollte es auch anders sein, zwar den konservativen Geist der Bundesrepublik atmet (und, nebenbei bemerkt, auch der professionellen Perfektion der Ministerialbürokratie ein glänzendes Zeugnis ausstellt), aber doch im Ganzen die Bevölkerung der DDR nicht unfair behandelt. Bei dieser Einschätzung darf allerdings die ärmliche Finanzausstattung der DDR-Länder und ihrer Gemeinden nicht übersehen werden. Sie resultiert aus ihrer nur teilweisen Integration in das grundgesetzliche System der Finanzverfassung und spiegelt deutlich den Unwillen der Bundesrepublik, aus Anlaß der Vereinigung allzugroße materielle Einschränkungen hinzunehmen. Auch insofern ist dieser „Einigungsvertrag“ durch und durch ein paternalistischer Staatensukzessionsvertrag, der ängstlich bemüht ist, ja nur keine neuen Impulse aufzugreifen, die durch den revolutionären Umbruch des Herbstes 1989 entbunden worden sind. In der Präambel wird zwar „dankbarer Respekt vor denen, die auf friedliche Weise der Freiheit zum Durchbruch verholfen haben“, bekundet, aber das wird gleich wieder entwertet, wenn sich im selben Satz die Bundesregierung selbst auf die Schulter klopft und diesen Respekt zugleich auch denen zollt, „die an der Aufgabe der Herstellung der Einheit Deutschlands unbeirrt festgehalten haben und sie vollenden“. Von dem Respekt vor den friedlichen Revolutionären ist dann im Vertrag selbst nur wenig übriggeblieben. Wenn immer von zukünftigen politischen Ordnungsaufgaben die Rede ist, werden die ebenso vagen wie formelhaften Eingangsworte benutzt: „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers...“, das Arbeitsvertragsrecht neu zu kodifizieren, den öffentlich–rechtlichen Arbeitsschutz zeitgemäß neu zu regeln, die Gesetzgebung zur Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen weiterzuentwickeln und „die Rechtslage unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten“ oder das Niveau der stationären Versorgung der Bevölkerung auf dem ehemaligen DDR-Gebiet zu verbessern. Rechtlich ist dies völlig unverbindlich, denn der spätere gesamtdeutsche Gesetzgeber kann diese ihm hier zugewiesenen Aufgaben unerledigt lassen, ja diese Aufgabenzuweisung durch ein einfaches Änderungsgesetz auch wieder streichen, ohne damit irgendjemandes Rechte zu verletzen – die DDR als Vertragspartner, dem gegenüber die Verpflichtung eingegangen ist, wird am 3.Oktober 1990 untergegangen sein. Und so gilt der Vertrag lediglich als jederzeit änderbares Bundesrecht fort. Nur in wenigen Punkten ist der Weg beschritten worden, auf dem allein auch für den zukünftigen Gesetzgeber Bindungen gegenüber der dann nicht mehr existenten DDR bzw. der auf ihrem Territorium lebenden Bevölkerung erhöhten Bestand haben, nämlich die vereinbarte Grundgesetzänderung. Dies ist ausdrücklich in der nun verfassungskräftigen Garantie der Beständigkeit der besatzungsrechtlichen Entwährungen und der Bodenreform geschehen und ergibt sich z.B. für den zeitlich begrenzten Fortbestand der in der DDR bestehenden Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch aus der Ergänzung des Grundgesetzes, nach der fortgeltendes ehemaliges DDR- Recht bis zum 31.Dezember 1992 vom Grundgesetz abweichen kann. In diesen wenigen Fällen, in denen der Vertrag auch tatsächlich Rechte zugunsten der DDR festlegt, können nach dem Untergang der DDR die auf ihrem ehemaligen Territorium gelegenen Länder diese Rechte auch geltend machen. Aber selbst diese Bestimmung ist nicht zur Aufnahme in das Grundgesetz vorgesehen und kann daher jederzeit durch einfaches Gesetz wieder gestrichen werden.

Keine neue Verfassung in Sicht

Wie hätte ein echter Einigungsvertrag aussehen müssen? Es gibt dafür in der deutschen Geschichte ein in mancher Beziehung vergleichbares Modell. Im November 1870 vereinbarten die süddeutschen Länder Baden, Bayern, Hessen und Württemberg mit dem drei Jahre zuvor unter Preußens Hegemonie gegründeten Norddeutschen Bund nicht etwa ihren Beitritt zum Norddeutschen Bund, sondern die „Gründung des Deutschen Bundes und Annahme der Bundesverfassung“; obwohl der Vorgang bei äußerlicher Betrachtung von einem Beitritt und damit von einer bloßen Erweiterung des Norddeutschen Bundes kaum zu unterscheiden war, handelte es sich der politischen Substanz nach und auch im Bewußtsein der Akteure (einschließlich Bismarcks) um einen Akt politischer Neukonstitution. Zu Recht wird daher die Reichsgründung auch nicht auf 1867, sondern auf 1870/71 datiert. Dementsprechend wurde die Verfassung des Norddeutschen Bundes auch nicht lediglich auf die süddeutschen Länder erstreckt; vielmehr wurde ihre Geltung – ergänzt um bestimmte Reservatrechte – ausdrücklich vereinbart. Dieses (in anderer Hinsicht freilich keineswegs vorbildliche) Modell politisch–konstitutioneller Neugründung hätte im Falle der Vereinigung Deutschlands um so näher gelegen, als das Grundgesetz in seinem (Schluß-)Artikel 146 die Möglichkeit seiner Selbstaufhebung durch eine „von dem deutschen Volke in freier Entscheidung“ beschlossene Gesamtverfassung ausdrücklich vorsieht. Unabhängig von dem Beitritt gemäß Art.23 des Grundgesetzes, der lediglich den territorialen Status des Gebietes dieses Staates ändert, kann die Konstitution eines politischen Gemeinwesens, das die Bevölkerungen beider Staaten zum Staatsvolk eines deutschen Staates integriert, heute nicht mehr durch die Berufung auf die dem 19.Jahrhundert angehörende Idee des Nationalstaats, sondern allein durch einen Akt gemeinsamer und überlegter Verfassungsschöpfung stattfinden. Daran erinnert Art. 146. Wie man hört, war ursprünglich auch vorgesehen, im Zuge der mit der Vereinigung verbundenen Grundgesetzänderungen diesen Artikel zu streichen. Dazu ist es nicht gekommen; aber zugleich hat man in dem Vertrag auch peinlich vermieden, durch Festlegung von Verfahren und Terminen das in ihm enthaltene Versprechen einzulösen. Im Gegenteil. Er bekräftigt nun, daß das Grundgesetz „nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt“, und nach der dem Vertrag beigegebenen Denkschrift soll dies den „Fortbestand des Grundgesetzes als rechtliche Grundordnung für das gesamte Deutsche Volk“ bedeuten.

Folgerichtig soll es in Zukunft auch nur noch die Möglichkeit der normalen parlamentarischen Verfassungsänderung geben. Sollte sich diese höchst anfechtbare Interpretation der offiziösen, aber anonym gebliebenen Autoren der Denkschrift durchsetzen, dann wäre Artikel 146 in sein Gegenteil verkehrt; man hätte ihn dann auch sichtbar streichen können. Als sollten die, die den Schaden haben, auch nicht den dazugehörigen Spott entbehren, wird in Art.5 des Vertrages die rechtlich unverbindliche „Empfehlung“ der Vertragspartner an die gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands gegeben, sich innerhalb von zwei Jahren Gedanken über „künftige Verfassungsänderungen“ – nicht über das Verfahren einer gesamtdeutschen Verfassungsgebung – zu machen. Auf die in der Präambel so geehrten DDR-Bürgerbewegungen muß diese Empfehlung geradezu wie eine Verhöhnung wirken. Denn die politische Botschaft an die DDR-Bevölkerung ist deutlich: Wir nehmen euch in unser Haus auf und wollen sogar einige Renovierungen erwägen; aber vor eurem Einzug mit euch gemeinsam einen Umbau vornehmen oder gar ein neues Haus bauen – das wollen wir unter keinen Umständen.

Der Vertrag hat zweifellos seine Verdienste und wird die technischen Probleme der staatlichen Vereinigung leidlich zufriedenstellend lösen. Ein Einigungsvertrag ist er jedoch nicht; irgendwann werden wir für diesen politischen Konstruktionsfehler zu zahlen haben.