Kabeljau stürmt im Wasserglas

■ Postfeinde wollen Privatisierung durch die DDR-Hintertür/ Post weist Vorwürfe zurück

Berlin (taz) — Manche frischgebackenen Flimmerkistenbesitzer in der DDR werden sich fragen, was sie mit 39 Kanälen auf der Fernbedienung sollen. Zwar sind 50 Prozent der Haushalte an eine Gemeinschaftsantennenanlage angeschlossen, aber der technische Standard ist miserabel, Kabeleinspeisung von BRD- Programmen entsprechend schwierig. Das ganze sieht aus wie ein Riesengeschäft für Privatfunker und das Elektrohandwerk, denn potentiell warten über sechs Millionen Haushalte aufs neue Fernsehglück.

In der Bundesrepublik machte die Post, anders als beim Telefon, schon vor Jahren eine Ausnahme von ihrem sonst heiligen Netzmonopol. Die Installationen der sogenannten Netzebene 4 (Hausverkabelung ab Übergabepunkt) bei Gemeinschaftsantennenanlagen und Kabelanschlüssen besorgen vorwiegend mittelständische Antennenbauer. Lukrativ ist auch der Betrieb, sprich die Vermietung von Antennensteckdosen.

Kein Wunder, daß die West- Lobby aus Handwerk und Kommerzfunk laut aufschrie, als sie von Plänen der Deutschen Post erfahren haben wollte, das Netzmonopol für das Gebiet der DDR bis zur Strippe im Wohnzimmer auszudehnen. Die um die neuen Fleischtöpfe bangenden Mittelständler sahen sich einem „Verdrängungswettbewerb“ ausgesetzt, Vorständler Haas vom Bundesverband Kabel und Satellit malte bei einer Pressekonferenz gar das Schreckensbild von der „Rückkehr des Staatsmonopolkapitalismus“ aus. Die Deutsche Post, und damit ab 3.Oktober faktisch die Bundespost, wolle sogar die bereits bestehenden Anlagen in der DDR wieder unter ihre Herrschaft bekommen.

Da es an terrestrischen Frequenzen für private Programmanbieter mangelt, setzen die West-Kommerzfunker vor allem auf die rasche Verkabelung der DDR. Und die bringe das Handwerk schneller zuwege als die eher transusigen Postunternehmen — einer der wenigen einigermaßen einleuchtenden Gründe für die Aufregung um Netzebene 4. Die soll aber nach dem Willen von Deutscher Post und Telekom-West keineswegs wieder unters Monopol gestellt werden. Lediglich die BRD-Regelungen sollen ab 3. Oktober greifen. Die aber sind den Lobbyisten ohnehin ein Dorn im Auge, ganz besonders das Netzmonopol der Post. Das Ganze ist also ein Sturm im Wasserglas — die Netzebene 4 gibt den ersehnten Hebel sicher nicht her. Franz Holzkamp