Feilschen um Bleiberecht für Roma

Roma-Vertreter kritisieren nordrhein-westfälische Landesregierung/ Bleiberecht noch immer nicht geklärt/ Strafantrag gegen CDU-Vorsitzenden wegen Volksverhetzung gestellt/ „Wie auf Basar“  ■ Von Bettina Markmeyer

Essen (taz) — Entgegen der Erklärung der nordrhein-westfälischen Landesregierung vom Mittwoch, nach der etwa 1.000 heimatlosen Roma in NRW ein Bleiberecht eingeräumt werden soll, hält die Rom & Cinti Union (RCU) die Frage für nicht geklärt, welche und wie viele Angehörige der Roma bleiben können. Offen ließ die Landesregierung beispielsweise, ob Kinder in die, so Rudko Kawczynski, RCU-Vorstandsvorsitzender, „magische Zahl“ 1.000 mit einbezogen seien. Falls ja, würde das Bleiberecht tatsächlich nur für wenige hundert Familien gelten. Im anderen Fall würde NRW etwa 3.500 Roma aufnehmen.

Verärgert zeigten sich Kawczynski und Karl-Heinz Kamps von der nordrhein-westfälischen Rom & Cinti Union auch über neue Bedingungen, nach denen die seit April vorliegenden Roma-Anträge auf Aufenthaltserlaubnis bearbeitet werden sollen. Sie sind erst in den letzten Tagen von der Landesregierung öffentlich verkündet worden und besagen, daß Roma vor dem Stichtag, dem 12.1.1990, bereits drei Jahre überwiegend in NRW und insgesamt fünf Jahre in der BRD gelebt haben müssen. In den zwischen der Landesregierung, Roma-Vertretern und Fachleuten im Frühsommer ausgehandelten Kriterien für ein Bleiberecht heimatloser Roma war von solchen Fristen nicht die Rede.

Nach den damaligen Kriterien gelten Roma dann als De-facto-Staatenlose, wenn sie in den letzten zehn Jahren mindestens fünf Jahre außerhalb ihres Herkunftslandes gelebt und sich während dieser Zeit überwiegend in Staaten Westeuropas aufgehalten haben. Wie sehr die neuen Bedingungen den Kreis der Bleibeberechtigten einschränken werden, ist noch offen.

Das Verwirrspiel mit Fristen und Zahlen erinnere ihn, so Kawczynski, an „einen orientalischen Basar“, auf dem „um Menschenleben gefeilscht“ werde. „Wir sind zum Wahlkampfthema geworden.“ Mit der Absicht, einen Beauftragten nach Jugoslawien zu entsenden, um Rückkehrhilfen für Roma prüfen zu lassen, verschaffe sich die Landesregierung lediglich ein „Alibi“. Obwohl gegen finanzielle Hilfen für Roma in Jugoslawien nichts einzuwenden sei, nütze die Aktion den heimatlosen Roma in NRW gar nichts. Nach Informationen von 'dpa‘ soll dieser Beauftragte Hans Jürgen Wischnewski („Ben Wisch“) sein. Die Staatskanzlei wollte dies weder bestätigen noch dementieren.

Gegen den Vorsitzenden der Landes-CDU, Helmut Linssen, haben Kawczynski und die RCU Strafanzeige „wegen Volksverhetzung“ erstattet und eine Unterlassungsklage eingereicht, weil Linssen „pauschal die Roma als ,Schwindler‘ und ,Legenden-Nomaden‘ beschimpft und damit — direkt oder indirekt — Übergriffe und negative Vorurteile der Bevölkerung gegen das Volk der Roma unterstützt“.

Der Hetze sei entgegenzuhalten, daß die Bleiberechtsregelung eine kleine Gruppe heimatloser Roma betreffe. Davon unabhängig müßten aufenthaltsrechtliche Probleme gelöst werden, die mit der Zuwanderung beispielsweise rumänischer Roma entstanden seien.