Pro Minute vier mehr

■ Dramatisch: Bis Ende 1990 2,5 Millionen arbeitslos

Berlin (taz) — In jeder Minute hat die DDR vier Arbeitslose und 10 Kurzarbeiter mehr. So dramatisch schilderte gestern der Präsident des DDR-Arbeitslosenverbandes, Klaus Grähn, die Situation auf dem Arbeitsmarkt der DDR. Bereits Ende August hätten die Arbeitsämter 361.000 Antragsteller auf Arbeitslosengeld erfaßt, die Zahl der Kurzarbeiter lag zu diesem Zeitpunkt bei 1,44 Millionen. Hierbei handele es sich meist um sogenannte 100-Prozent-Kurzarbeiter. So seien allein in den Berliner Vergaser- und Filterwerken von insgesamt 2.000 Beschäftigten 1.200 als 100-Prozent- Kurzarbeiter tätig. Es gebe keinerlei Indizien, die den prognostizierten Arbeitslosenzahlen in Höhe von 2,5 Millionen bis Ende 1990 entgegensprächen. Um der Arbeitslosigkeit beizukommen, hat der Arbeitslosenverband einen „Runden Tisch Arbeitslosigkeit“ eingerichtet, der seit dem 3. Juli existiert. Dieser stellte gestern einen Beschlußentwurf zur sozialen Sicherheit und zu einem Wirtschaftskonzept vor. Anwesend waren jeweils über 50 Vertreter aller Parteien, Gewerkschaften und Organisationen der DDR, schon bei den Vorgesprächen hatten unter anderem der Leiter der Hauptabteilung Politik im CDU-Hauptvorstand, der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall sowie der Staatssekretär im Arbeitsministerium, Kienitz, ihr Erscheinen zugesagt. Der aber kam nicht, da er zur Zeit in Urlaub ist.

Jedoch sind die Beschlüsse des Runden Tisches nicht bindend: Um sie durchzusetzen, bedarf es eines Beschlusses des Ministerrats. Der hatte bereits Anfang August um ein Postionspapier des Arbeitslosenverbandes gebeten — ein für den 9.8. anberaumtes Spitzengespräch unter Leitung von de Maizière kam jedoch nicht zustande. maz