Baker beim „Tyrannen“ in Damaskus

■ US-Außenminister zur Visite im vormals verhaßten Syrien/ Die Golfkrise mischt die Karten neu/ Syrien ist Iraks Erzfeind und nun im westlichen Lager — dafür gibt es Milliarden der Saudis und USA

Tel Aviv/ Damaskus (taz/adn/wps) „Der Baker-Besuch ist ein Symbol für die gründliche Veränderung der amerikanisch-syrischen Beziehungen im Zuge der Golfkrise“, so der klagende Ton eines Kommentators in der gestrigen Ausgabe der hebräischen Zeitung 'Maariv‘. Syrien ist nur eine Station auf der Reise des Golfkrisen-Diplomaten James Baker. Für das Verhältnis zwischen Washington und Damaskus bedeutet die Visite nichtsdestotrotz eine Zäsur. „Gleiche Ziele“ bestimmten das neue Verhältnis, so Baker in Brüssel. Denn auch Syrien verlangt den bedingungslosen Rückzug seines Erzfeindes Irak aus Kuwait und hat Truppen nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate entsandt.

Jahrelang kochten die Beziehungen auf Sparflamme: in erster Linie war das Ergebnis des Blockdenkens. Nach dessen Logik war Israel der wichtigste regionale Mitspieler Washingtons und Syrien der Partner Moskaus bei der Konfrontationspolitik in Nahost. Nach der sogenannten Hindawi-Affäre, der angeblichen Beteiligung Syriens an einem 1986 in London geplanten Anschlag auf ein israelisches Flugzeug, kam Damaskus auf die Liste „Terrorismus unterstützender Staaten“ des State Departments. Die USA zogen ihren Botschafter ab, der Westen verhängte Sanktionen und hielt Kredite zurück.

Seit mehr als einem Jahr sucht Präsident Assad Anschluß an Washington — nachdem sich die Sowjetunion aus Syrien weitgehend zurückgezogen hat und die politischen Änderungen in Osteuropa für Damaskus auch schwere wirtschaftliche Folgen mit sich brachten. Amerikanische Diplomaten führten lange Koordinationsvorgespräche in Damaskus und versprachen sowohl amerikanische als auch saudi-arabische Hilfe (angeblich hat Saudi-Arabien bereits eine Milliarde Dollar für Syrien zur Verfügung gestellt). Für Andrew Whitley, Direktor von „Middle East Watch“, einer Menschenrechtsorganisation in New York, ist einiges an dieser noch dünnen neuen Achse Washington-Kairo-Damaskus nicht in Ordnung. In einem in der 'Washington Post‘ gestern abgedruckten Kommentar kritisierte er die „Meines Feindes Feind ist mein Freund“-Haltung der USA gegenüber Syrien. Das innenpolitische System in Syrien sei repressiv, dies dürften die USA bei dieser „herzlichen Umarmung“ nicht vergessen. Sonst mache man den gleichen Fehler wie im Golfkrieg, als man Irak als Bastion gegen den Feind Iran stützte. Die USA sollten ihren „moralischen Kompaß“ bei der Reise durch die arabische Welt nicht vergessen.

Politische Kreise in Jerusalem geben unterdessen zu, daß James Baker den israelischen Außenminister David Levy „vorwarnte“, auf der Tagesordnung in Damaskus stünden auch zukünftige israelisch-syrische Friedensverhandlungen. Dies wäre im Sinne der neuen Schamir-Politik, die Friedensverhandlungen mit einzelnen arabischen Staaten den Gesprächen mit PLO-Vertretern gleichzusetzen. Baker will nun die israelisch-arabischen Friedensverhandlungen an die Spitze seiner Bemühungen stellen. Falls es denn überhaupt zu Gesprächen mit Palästinensern über Wahlen in Westbank und Gaza-Streifen kommen wird, sollen diese nur mit „ausgewählten Personen“ geführt werden, die von Washington, Kairo und Jerusalem als Gesprächspartner akzeptiert werden. A.W.