Keine „Sterbeliste“ für 360 Konkurs-Betriebe?

Berlin (taz) — Detlef Rohwedder, der Chef der Treuhandanstalt, hat am Donnerstag abend vor der Volkskammer Presseberichte zurückgewiesen, nach denen es in seinem Hause eine Liste mit 306 Betrieben gebe, die alsbald geschlossen werden sollen. Rohwedder bezifferte die Zahl der untersuchten Betriebe auf bislang 140, ohne zu sagen, wieviele Liquidationsfälle sich daraus ergeben haben. „Wir arbeiten weiter daran“, merkte er nur an.

Am letzten Wochenende hatte die 'Wirtschaftswoche‘ berichtet, daß unter anderem die beiden Chemie- Riesen Buna und Leuna auf einer „Sterbeliste“ stünden. Die beiden Konzerne würden einstweilen nur aus politischen Gründen am Leben erhalten. Einer Delegation von Betriebsräten der Leuna AG versicherte indes auch Treuhand-Vorstandsmitglied Klaus-Peter Wild, daß es eine solche Liste nicht gebe. Allerdings hat die Treuhand die Teilsanierungskonzepte von Buna und Leuna bislang nicht abgesegnet.

Rohwedder, der zwar kein Abgeordneter ist, aber dennoch vor dem Parlament sprechen durfte, gestand offen einen Rechtsbruch ein. Zwar sei im Treuhandgesetz die Bildung von großen Aktiengesellschaften vorgesehen, in denen die rund 8.000 staatseigenen Betriebe zusammengefaßt werden sollten. Ihr Aufbau hätte jedoch Monate gedauert und Schwierigkeiten bei der personellen Besetzung auch noch dieser Aufsichtsräte mit sich gebracht. „Ich bekenne mich zur Nichterfüllung des Gesetzes“, sagte Rohwedder, und seine anschließende pro-Forma-Entschuldigung wurde von den Abgeordneten mit Applaus bedacht.

In puncto Privatisierung sei eine größere Anzahl kleinere Fälle bereits erledigt worden; das umstrittene Großvorhaben Stromvertrag soll am Dienstag vom Verwaltungsrat abgesegnet werden. Der Gasvertrag sei „auf gutem Wege“, und auch die Autovorhaben (VW/Zwickau, Daimler/Ludwigsfelde und Opel/Eisenach) kämen voran — „in dieser Reihenfolge“. Zur Besetzung des Treuhand-Büros durch Interhotel-Angehörige sagte Rohwedder, daß der Vertrag mit Steigenberger „Zwielichtigkeit und Anrüchigkeit“ aufweise. Die Treuhand sei nicht bereit, sich wegen des dubiosen Pachtvertrages ein bis zwei Milliarden Mark durch die Finger gleiten zu lassen.

7.000 selbständige Kapitalgesellschaften gebe es nun in der DDR. Von den 316 Kombinaten seien 84 in Konzerne oder Holdings umgewandelt, 232 hingegen aufgelöst worden. Die Treuhand ist jetzt im Besitz von 3.600 kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. Zur Sanierung von Unternehmen habe sein Haus einen Leitfaden und eine Anleitung veröffentlicht; Großliquidationen würden erst erfolgen, wenn die Auswirkungen auf die Beschäftigten regional abgefedert werden können. diba