Zurück ins Mittelalter

■ Betr.: Friedensfreunde in der Krise„, taz vom 28.8.90

Senator Scherf hat recht, wenn er keine Bedrohung aus dem Osten mehr spürt, wenn Truppenstärken radikal gesenkt, wenn Rüstungsfelder für Umwelt und soziales Netz ausgegeben werden sollen. Er ist allerdings (ganz) altem Denken verhaftet, wenn ihm eine Berufsarmee am liebsten ist. Davon könnte sich der Senator jeden Donnerstag auf der Friedensmahnwache auf dem Marktplatz persönlich überzeugen. Dort sind Bremer Bürger und Bürgerinnen schon viel weiter, sie unterstützen die Initiative „Für eine Bundesrepublik ohne Armee“, mit ihrer Unterschrift fordern sie generelle „Abschaffung der Bundeswehr“.

Vor 200 Jahren waren gegenüber Landsknechtshorden und Söldnerheeren-also Berufsarmeen-die nationale Armeen mit allgemeiner Wehrpflicht ein historischer Fortschritt. Berufsarmeen lassen Soldaten das Kriegs-„Handwerk“ erlernen und auf Befehl ausüben. Wirtschaftlich und ideologisch sind sie militärischem Denken und Handeln viel stärker verbunden als Wehrpflichtige und damit auch eher bereit, im Kriegsfall andere Menschen zu töten. Heute steht Abrüstung ohne wenn und aber auf der Tagesordnung und damit auch die Abschaffung aller Armeen.

Sind die widersprüchlichen Worte des Senators, also zugleich einerseits Abrüsten, anderseits Berufsarmee, schon die Positionen führender SPD-Politiker oder zeugen sie nur vom persönlich gespaltenen Bewußtsein?

Achim Lankenau (DFG-VK), Ernst Busche (DFG-VK), Thomas Kosichi (DFG-VK)