Neue taz-Serie zur Rüstungs-Konversion in Bremen

■ „Rüstungs-Konversion“ oder: Wie reagieren Bremer Unternehmen auf den schrumpfenden Verteidigungsetat?

Was die Friedensbewegung nicht geschafft hat, bewirken jetzt Verschiebungen im Bonner Verteidigungshaushalt: Bei bremischen BetriebsrätInnen und Geschäftsführern beginnt ein verschärftes Nachdenken über die „Rüstungs- Konversion“. Darüber, wie militärische Produktionsstätten für zivile Fertigung umgerüstet werden kann, um die Arbeitsplätze zu sichern.

Lassen sich olivgrüne „Nachtsichtbrillen“ außer an Militärs vielleicht auch an „Jäger und Spanner“ oder an „Gletscherpiloten“ verkaufen? Sind „ferngelenkte unbemannte Unterwasserfahrzeuge“ außer zum Aufspüren „minenverdächtiger Objekte“ vielleicht auch dazu gut, Giftfässer oder sagenumwobende Goldschätze auf dem Meeresgrund aufzufinden? Kann die gleiche Sensortechnik, mit der Geschoß- Flugbahnen vermessen werden, nicht Kommunen angedient werden, die ihre überalterte Kanalisation vermessen haben wollen?

In der Serie über „Rüstungs- Konversion“ in Bremen („Aufgerüstet / umgerüstet“) werden wir in den nächsten Wochen Bremer Wehrtechnik-ProduzentInnen vorstellen — mitsamt ihren Überlegungen im Zeitalter eines „schlankeren“ Verteidigungsetats mit einem verdickten zivilen Bein durch die 90er Jahre zu kommen. Zur Sprache kommen auch Belegschaftsmitglieder, für die das Wort „Konversion“ nicht erst seit dem Fall der Mauer in den Sprachschatz übergegangen ist. In vier Bremer Rüstungs-Belegschaften gibt es mittlerweile Arbeitskreise, in denen Ideen über „alternative Fertigung“ zusammengetragen und ausgefeilt werden.

Neben den Räumen München- Augsburg, Friedrichshafen und Kassel ist Bremen einer der vier Schwerpunkte der Rüstungsproduktion in der Bundesrepublik. Mehr als zehn bremische Unternehmen produzieren mit je über 100 Beschäftigten Fregatten, Radarantennen, Simulatoren usw.. Das Bundesland, in dem das Plakat „Entrüstet Euch“ erfunden ward, ist damit gleichzeitig das Bundesland mit der höchsten Abhängigkeit an Rüstungsaufträgen. Der Abhängigkeitsfaktor beträgt 4,16. Der Durchschnittswert für die westdeutschen Bundesländer, über die letzten zehn Jahre ermittelt, liegt bei 1.

In Bremen sind 15.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt mit der Wehrtechnik verknüpft. Aktuellstes Beispiel für Bremens Schwimmen an vorderster Front: Unter den sieben Schiffen, die die Bundesmarine auslaufen ließ, um der US-Army im Kampf gegen Saddam Hussein beizustehen, fährt bremisches „Know-how“ mindestens dreifach mit: Die beiden Minensuchboote „Laboe“ und „Überherrn“ sind unter dem Generalunternehmer MBB (Messerschmidt-Bölkow-Blohm) gebaut worden. Das Versorgungsschiff „Westerwald“ wird auf der Werft MWB (Motorenwerk Bremerhaven) gewartet. Im Motorenwerk liegen - in schlichte Holzkisten verpackt — denn auch Ersatzteile der „Westerwald“ parat, für den Fall, daß der Versorger unterwegs einen Motorschaden hat und das Malheur per Luftfracht behoben werden muß.

Droht nach der „Werftenkrise“ jetzt die „Abrüstungskrise“? Der senatseigene „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“ unterbreitete im August eine Studie zur „Rüstungsabhängigkeit des Landes Bremen. Darin heißt es: “Durch die dramatischen Veränderungen im Ost-West-Verhältnis ist in den nächsten Jahren mit umfangreichen Abrüstungsmaßnahmen zu rechnen. Niemand kann heute sagen, auf welchem Niveau sich der Verteidigungshaushalt des Bundes mittelfristig einpendeln wird. Die Wirtschaftspolitik sollte jedoch davon ausgehen, daß auf allen Ebenen mittelfristig erhebliche Einschnitte zu erwarten sind. Gravierende regionale Anpassungsprobleme sind nicht auszuschließen. Dies gilt in besonderem Maße für den Standort Bremen.

Ende August trafen sich in Bremen erstmals an Konversion interessierte BeamtInnen — die „Arbeitsgruppe wirtschaftliche Folgen der Abrüstung für das Land Bremen.“ Wie sagte doch die Friedensbewegung einst so schön wie plakativ: „Entrüstet euch“. B.D.