Ein »Euro-Park« auf dem märkischen Acker

■ West-Investoren und Westberliner Architekten planen im Landkreis Bernau Europas größten Einkaufspark/ Baukosten: 400 Millionen Mark/ Landrat will Entscheidung vorm 3. Oktober/ Stadt Bernau protestiert: Noch kein FNP für die Region

Bernau. Ein gläsernes Objekt auf grüner Wiese weckt momentan viele Träume im Landkreis Bernau: Ins moderne Einkaufszeitalter soll es die DDR-Bürger führen, schwärmt der Architekt, die Arbeitslosigkeit senken, hofft der Landrat, das leere Gemeindesäckel füllen, erwartet der Bürgermeister, und nicht zuletzt ein sichtbares Symbol für den Aufschwung sein, wünschen sich die Bürger. Die Rede ist von einem »Europa-Park« gigantischen Ausmaßes, der knapp zehn Kilometer außerhalb von Berlin auf den märkischen Acker gesetzt werden soll. Auf 200.000 Quadratmeter würde sich das Einkaufs-, Freizeit- und Dienstleistungszentrum erstrecken, 6.500 Parkplätze sollen gebaut und ein eigener Autobahnanschluß vom Berliner Ring gezogen werden.

Auf dem Reißbrett entpuppt sich der Plan als futuristisches Gebilde, in den Worten des Architekten als »multifunktionaler Einkaufs- und Erlebnisraum«: Entlang eines glasgedeckten geschwungenen Boulevards reihen sich die einzelnen Geschäfte — »hier soll die Situation eines Marktes entstehen«, so Architekt Quick —, begrenzt von großen Einkaufszentren. Magnet inmitten der Geschäftstätigkeit ist die Galleria — laut Skizze ein ovaler Bau, reserviert für kleine Geschäfte lokaler Anbieter, Gastronomie, Kino und Diskotheken. Auf 400 Millionen Mark schätzen die westdeutschen Geldgeber das Investitionsvolumen, die Bauzeit auf maximal vier Jahre. Der Plan sucht seinesgleichen in deutschen Landen. Das Taunus-Zentrum in der Nähe von Frankfurt, Einkaufsparadies für das umliegende Ballungsgebiet, ist gerade mal halb so groß.

Den Standort haben sich die Investoren, die Gruppe »Handel, Anlage und Beteiligung« (HLG) aus Münster und die Bayerische Beamtenversicherung (an der der bayerische Staat zu 50 Prozent beteiligt ist), schon ausgesucht. Drei Kilometer außerhalb von Bernau in der Gemeinde Schönow entdeckten sie eine geradezu »strategische Fläche«, zwischen Autobahn und einer Allee gelegen. Vorzüge des riesigen Maisfeldes: der Autobahnanschluß und die geklärte Eigentumfrage. Die örtliche LPG hatte das Gelände an die Bauern zurückgegeben, und jene erklärten sich bereit, den Acker im Rahmen eines Erbpachtvertrages zur Bebauung freizugeben.

»Strategischer« Acker

Die Investoren wurden im Juli bei der Gemeinde Schönow vorstellig und rannten bei Bürgermeister Jung (SPD) offene Türen ein. Jung brachte die potentiellen Geldgeber mit einer Westberliner Architektengruppe zusammen, die seit einiger Zeit die Gemeinde bei der Dorfverschönerung und dem Flächennutzungsplan beriet. Die Architekten Quick, Bäckmann und Stützel erkannten die »strategische Fläche« als eine solche, legten die Ausrichtung des Flächennutzungsplans (FNP) auf ein solches Projekt nahe und entwarfen für die HLG den jetzt vorliegenden Plan für den »Euro-Park«. Jung, einer der größten Fans des »Euro- Parks«, begeisterte daraufhin seinen Landrat und Parteigenossen.

Der sieht in dem Projekt endlich »ein sichtbares Zeichen, daß es bei uns aufwärts geht«. Nach neuesten Schätzungen müsse er in seinem Landkreis mit einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent rechnen. Vom »Euro-Park« erhofft er sich nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Anteile aus den in zweistelliger Millionenhöhe prognostizierten Umsatz- und Gewerbesteuereinnahmen. »Wenn wir jetzt nicht handeln, schnappt sich ein anderer Kreis den Leckerbissen.«

Landrat Friese handelte schnell, versicherte sich der Unterstützung seines Koalitionspartners CDU im Kreistag und setzte das Projekt »Euro-Park« zur Beschlußfassung auf die Tagesordnung der nächsten Kreisparteitagssitzung am 19. September. Allerdings mit einer Abweichung: Der Megapark soll nun nicht in Schönow errichtet werden, sondern auf einem vergleichbaren Acker in Lindenberg, der nächstliegenden Gemeinde in Richtung Berlin.

Der Plan blieb derselbe, die Skizze wurde den neuen Gegebenheiten angepaßt. »Natürlich haben wir uns bei solch einem großen Projekt mehrere Standorte überlegt«, erklärt Architekt Quick sein variables Modell. Der Grund für den plötzlichen Standortwechsel ist anderweitig zu suchen. In einer Stadtratssitzung Ende August legten die Architekten und Schönows umtriebiger Bürgermeister den »Euro-Park«- Plan auf den Tisch und stellten fest, daß die Ratsmitglieder bereits Bescheid wußten. Es hagelte Proteste.

Variables Modell

Bernaus Bürgermeister Gerber, der gleichen Partei wie Jung und Friese zugehörig, geißelte das Projekt in der Lokalpresse als »Gigantomanie« und bemängelte, daß bislang keinerlei Raumordnungsverfahren, geschweige Gutachten in Auftrag gegeben worden seien. Überdies fühle er sich übergangen, immerhin läge der »Euro-Park« vor den Toren seiner Stadt. Er sei, so fügte Gerber hinzu, nicht prinzipiell gegen ein Einkaufzentrum, nur müsse man die Frage stellen, was jener »Euro-Park« für die lokale Infrastruktur bringe. Ohne FNP für die Region könne man dem nicht zustimmen. Die ortansässigen Handwerks- und Händlervereinigungen schlugen ebenfalls Alarm, sehen sie sich doch einer »herben« Konkurrenz ausgesetzt. Vom »Ausbluten« des städtischen Gewerbes war gar die Rede.

»Der Park ist unsere Zukunft!«

Wieder handelte Landrat Friese schnell, ließ einen enttäuschten Schönower Bürgermeister zurück und bevorzugt — »um die Investoren nicht ganz zu verägern« — nun den Standort Lindenberg, das 5 Kilometer weiter weg liegt. Die Gemeinde dort zeigte sich ebenso willig und lauschte vor zwei Tagen gespannt den Ausführungen des Architekten und seines Geldgebers. Jene fanden sich mit den Plänen unter dem Arm zum Anhörungstermin in der Dorfschule ein.

»Hier geht es doch erst einmal um eine Konzeption für ein modernes Einkaufszentrum am Rande einer Metropole«, eröffnete Architekt Quick die Runde. Er brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit zu leisten, die Mehrzahl der anwesenden Dorfbewohner ist »völlig begeistert von dem Ding« — »davon haben wir nur zu träumen gewagt«. Die Bewohner erhoffen sich vor allem Arbeit und Geld für ihre Gemeinde. Nur eine kritische Stimme meldete sich zu Wort: warum man in solch gigantischen Größenordnungen denke, noch dazu in einem Gebiet, das über so gut wie keine Infrastruktur verfüge — also weder über geeignete Straßenanbindungen noch über eine Wasser-, Strom-, Gasversorgung — und wo die Fragen der Abwässer wie des Mülls ungeklärt scheinen, ganz zu schweigen von den Auswirkungen der Blechlawine, die am Rande des Dorfes vorbeirollen würde. Die Antwort der »Euro-Park«-Väter: In vier Jahren ändert sich viel, und Probleme wie Abwasserentsorgung und Straßenbau ließen sich lösen. Man werde zum Beispiel ein Klärwerk »vorfinanzieren«. Die Rückzahlung könnten die Gemeinden dann aus der anfallenden Gewerbesteuer bestreiten. Aber zuerst: »Es ist eine politische Entscheidung. Entweder bauen Sie oder andere.«

Landrat Friese will die Entscheidung noch vor dem 3. Oktober. Dann gelten die bundesdeutschen Gesetze, und ein Genehmigungsverfahren »braucht dann viel zuviel Zeit, die wir nicht mehr haben«. Bislang ist auch die Bezirksverwaltungsbehörde in Frankfurt/Oder noch nicht offiziell von den Plänen des Landkreises unterrichtet. »Bei uns wurde noch kein Raumordnungsverfahren angefordert«, erklärt die zuständige Abteilungsleiterin, Rita Pohl. Das Ansinnen des Landrates, ein verkürztes Verfahren zu erreichen, indem man die Zuständigkeit vom Bezirk auf den Kreis verlegt — eine Verordnung des Bauministeriums würde dies gestatten —, weist sie zurück: »Bei diesem Dimensionen warten wir doch lieber mal die landesplanerische Grundlage des neuen Landes Brandenburg ab.« Nana Brink