Fressen, Ficken, Fußball

■ „Unser Boß ist eine Frau“, 22.10 Uhr, ZDF

Geahnt haben wir es ja schon lange, und endlich liefert das ZDF die Beweise: Fußballspieler sind dumm, primitiv, großmäulig, brutal und ständig geil; die Trainer niveaulose Schleifer. Gegen die Umgangsformen im Training stellen Kasernenhöfe Horte der Höflichkeit dar. Das Management ist korrupt bis auf die Knochen, zwei bis vier Leichen hat jeder im Keller. Da wird getreten, gemauschelt, gnadenlos mit Menschenmaterial gedealt. In der Umkleidekabine ist Fressen und Ficken das Hauptthema, wenn nicht gerade der Manager in Quasimodo-Manier über die Bänke tobt. Was ihm nichts nutzt, denn wegen Erfolgslosigkeit wird er gefeuert, und weil er mit zahlreichen Spielerfrauen kopuliert.

Doch schon ist für Ersatz und reich lich Aufregung gesorgt: Unser Boss ist eine Frau betiltelt das ZDF ihre „unterhaltsame, witzige und wirklichkeitsnahe“ Serie, deren Inhalt — eine Frau wird Managerin eines Fußballklubs — seit Montag die ungeschützten Zuschauer peinigt. Und mit ihr alle nur erdenklichen Vorurteile und Klischees, die mit Frau und Fußball verbunden sind. Denn natürlich steht der Verein, die gewalttätigen Fans, die Presse Kopf. „Dir werden wir's zeigen, Schätzchen“, verspricht ein Reporter der schönen Mittdreißigerin, während ein vom Altersschwachsinn gezeichneter Kluboberster unablässig fordert, die Frau unverzüglich in den Puderraum zu bringen, wo „Weiber hingehören“. Doch den beiden zwielichtigen Vorsitzenden wurden vom millionenschweren italienischen Vater der Schönen („der Spaghetti“) erhebliche Summen zugesichert für den Managerposten seiner Tochter. Aber nicht verraten!

So tritt die resolute Fitneßstudiobesitzerin mutig zu den Spielern, die sich sprachlos ob der Demütigung kurzerhand entblößen. Nach der ersten Aerobic-Stunde und dem völligen Umstellen der Spieltaktik durch „das Teil“ wuchs der Groll. „Waren's die Kröten oder durftet ihr die flöten,“ mußte sich der Vorstand in tadelloser Minimallyrik fragen lassen. Alsdann wechselte das Vokabular zwischen Wichser, Schnepfe, Arschloch, Weiber, Fresse. Doch nichts fruchtete, denn „Fußballer sind“, so belehrt uns der Klubchef, „viel zu dämlich, um sich zu organisieren“. So wächst und gedeiht eine holzfällerartige Herzlichkeit. Allerliebst nimmt die Chefin Anteil an privaten Nöten der Spieler. Bald wird bei Videoaufnahmen fröhlich gescherzt. Mit sensiblen Dialogen à la „Die als Hausfrau in Schürze mit nichts drunter“ oder „Welche Stellung wäre Ihnen am liebsten“, bringt uns der Filmautor Stan Hey den Trainingsalltag nahe. Für Mißstimmung der Chefin sorgt einzig die ihrer Meinung nach zu geringe Summe von 150 Pfund, die derjenige erhalten soll, der „bei ihr einen Schuß landet“.

Woran es im Spiel mangelt, trotz der neuartigen mentalen Vorbereitung: „Schließt die Augen, befreit euch von allen Spannungen, habt Vertrauen!“ Währenddessen plant Chefins hinterhältiger Vater windige Baudeals mit den Vorsitzenden. Hastig kauft sich Tochter Schlau in den Verein ein, zum Ärger der Beteiligten. Beste Ausgangsposition also für die kommenden vier Folgen, von denen uns Rassenkonflikte, Seitensprünge, Intrigen jeglicher Art versprochen sind.

Englands Subkultur statt Dollars? Dünnbrettbohren statt Öl? Stachelbeine statt Föhnfrisuren? Schon vespürt man Sehnsucht nach J.R.s Lachen, das, gemessen am Niveau dieser Serie, einem Lehrfilm gleicht. Wie, fragt sich die gepeinigte Zuschauerin, kann nur so ein Schund entstehen? Und das, obgleich der Autor wochenlang mit in Trainingslagern war und Liverpool-Fan ist. Doch auch andere Männer scheinen begeistert: Die FIFA-Greise belohnten Regisseur Christopher King ob des gelungenen Streifens mit dem Auftrag für den offiziellen Film zur vergangenen Fußball-WM. Bleibt letztlich nur zu hoffen, daß in Wattenscheid keiner des ZDFs Neuerrungenschaft („in England ein Riesenerfolg“) gesehen hat. Denn dort übernimmt tatsächlich und erstmals in der Fußball-Bundesliga eine Frau, Anette Gramoschke (26), die Geschicke des Klubs. Und an diesem TV-Mist gemessen zu werden, wäre eine Strafe. miß