piwik no script img

Hermann Videot

■ Deutsche Touristin; Hermann, ihr Mann; japanische Touristin, sie spricht gut Deutsch, aber mit Akzent. Die Szene spielt auf einem Ausflugsdampfer, im Hintergrund Stimmengewirr, Fahrtgeräusche.

Deutsche Touristin; Hermann, ihr Mann; japanische Touristin, sie spricht gut Deutsch, aber mit Akzent. Die Szene spielt auf einem Ausflugsdampfer,

im Hintergrund Stimmengewirr, Fahrtgeräusche.

VONRÜDIGERKIND

Deutsche: Der Flug von Tokio nach Rom war doch sicher sehr anstrengend, nicht? Wie lange waren Sie denn unterwegs?

Japanerin: 14 Stunden, über den Nordpol.

Deutsche: Und von Rom sind Sie dann direkt nach Capri gefahren?

Japanerin: Nein, zuerst sind wir nach Sizilien, und auf der Rückreise haben wir in Neapel Station gemacht.

Deutsche: Und da wollten Sie Capri noch mitnehmen.

Japanerin: Nicht mitnehmen, nur anschauen!

Deutsche: Ja, natürlich — ist doch herrlich, die Insel, vor allem die Blaue Grotte... — Darf man fragen, woher Sie kommen in Japan?

Japanerin: Aus Kyoto.

Deutsche: Nächstes Jahr wollen mein Mann und ich nämlich vielleicht nach Japan fahren, entweder Japan oder USA, der Dollar steht ja momentan sehr günstig. Aber die Kirschblüte möchte ich zu gern einmal erleben, das muß ja ganz herrlich sein in Japan.

Japanerin: Sie haben keine Kirschblüte in Deutschland?

Deutsche: Doch schon, aber es ist doch nie so schön wie im Ausland. Letztes Jahr waren wir zur Tulpenblüte in Holland. Ich sage Ihnen, die Meisjes vor den Tulpenfeldern, das ist einfach goldig! Und in Japan...

Japanerin: ... die Geishas.

Deutsche: Ja, äh, genau. Wissen Sie, ich bin eine große Blumenliebhaberin, das Ikebana muß ja auch sehr interessant sein, nur so furchtbar schwierig.

Japanerin: So ist es.

Deutsche: Übrigens, waren Sie schon in Deutschland?

Japanerin: Nein, noch nie.

Deutsche: Sie müssen unbedingt mal kommen! Sie können jederzeit bei uns wohnen. Wir haben ein großes Haus in München — Sie kennen doch München? — Oktoberfest, Hofbräuhaus, BMW...

Japanerin: München, ja.

Deutsche: Ach, da kommt ja mein Mann!

Hermann tritt dazu

Darf ich Ihnen vorstellen, mein Mann, Hermann, die Dame kommt aus Japan.

Hermann: Guten Tag!

Japanerin: Guten Tag!

Hermann: Darf man fragen, aus welcher Stadt sie kommen?

Japanerin: Aus Kyoto.

Hermann: Das ist ja interessant...

Deutsche: Ich hab' der Dame schon erzählt, daß wir nächstes Jahr vielleicht nach Japan wollen.

Hermann: Das ist richtig. Wann ist denn die beste Jahreszeit?

Deutsche: Zur Kirschblüte natürlich.

Hermann: Ah, natürlich! Übrigens habe ich wunderbare Aufnahmen von der Zitronenblüte auf Capri gemacht, einfach herrlich!

Deutsche: Wissen Sie, mein Mann, der videot.

Japanerin: Idiot?

Deutsche: Nein, er hat eine Videokamera, mit der zeichnet er den ganzen Urlaub auf. Hermann, pack die Kamera aus: Hier, sehen Sie, aus Japan, made in Japan, eine sehr gute Kamera.

Japanerin: Ja.

Hermann: Bloß in der Blauen Grotte, da war es leider zu dunkel für sie. Schade, daß ich die nicht draufhabe, aber zumindest Fotos habe ich machen können, mit Blitzlicht. Hier sehen Sie, der Fotoapparat, auch made in Japan... fotografieren Sie auch?

Japanerin: Ich zeichne nur, mit Tusche.

Deutsche: Eine alte japanische Kunst.

Japanerin: Ja, sehr alt.

Hermann: Tja, Japan ist ein Land zwischen Tradition und Fortschritt, das macht die Faszination für uns Europäer aus, ein Land der Gegensätze, ich glaube, nächstes Jahr machen wir Japan, was Hannelore?

Deutsche: Gern!

Japanerin: Ich möchte mich verabschieden. Gute Reise noch!

Deutsche: Auf Wiedersehen, vielleicht sieht man sich mal in Japan!

Hermann: Gute Reise auch!

Zu seiner Frau: Ich dachte, Japaner wären viel höflicher!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen