Pekinger Führung setzt auf Asien-Spiele

530 Millionen US-Dollar haben die Chinesen in die Ausrichtung der Asien-Spiele gesteckt/Mit dem Ausschluß der irakischen Mannschaft wollen sie sich die Sympathie potentieller Sponsoren sichern/Exekutionen im Zuge der Säuberungskampagne  ■ Aus Peking Boris Gregor

Bunte Fahnen wehen an den Straßen, Blumentöpfe schmücken Kreuzungen und neu eingekleidete Straßenreiniger fegen permanent den Staub vom Asphalt. Fassaden werden geputzt, Banner verkünden überall „Solidarität, Frieden und Freundschaft“ — das Motto der elften Asien-Spiele, die Ende nächste Woche beginnen sollen. Es gibt kaum noch ein anderes Thema in den Medien. Im Fernsehen proben Chorleiter mit den Zuschauern Lobeshymnen auf die Spiele. Endlose Reportagen vermelden den Standort der olympischen Fackel, die durch das Reich der Mitte getragen wird. Und auf den Magistralen der Hauptstadt sind Uniformierte, Studenten und Rentner postiert, die den wahnwitzigen Auftrag haben, in diesen Tagen nachzuholen, was seit Jahren versäumt wurde: den Millionen Fahrradfahrern beizubringen, daß sie bei rotem Ampellicht zu halten haben.

Mit dem Sportereignis, an dem 38 Länder mit 6.000 Aktiven teilnehmen, will sich Peking nach dem Willen der chinesischen Führung von der besten Seite zeigen — Eigenwerbung über ein Jahr nach dem Tian'anmen-Massaker tut Not.

Verzweifelt sind die Veranstalter bemüht, die Organisationen in den Griff zu bekommmen, die Mitarbeiter der Hotels und Restaurants, Chauffeure, Dolmetscher und Polizisten werden seit Monaten ebenso auf ihre Aufgaben getrimmt wie die Teilnehmer der dreistündigen Eröffnungsveranstaltung im Arbeiterstadion am 22. September.

Vermutlich werden aber nicht die Delegationen aller Mitgliedsstaaten des Asiatischen Olympischen Kommittees ins Stadion einmarschieren. Die Sportfunktionäre entscheiden heute in einer Pekinger Nobelherberge über den Ausschluß der Mannschaften Iraks, die für die Annektion Kuweits büßen soll. Falls die Iraker nicht gebannt werden, hatten die anderen arabischen Länder signalisiert, würden sie ihrerseits Peking fernbleiben. Die Gastgeber votierten im Vorfeld der entscheidenden Sitzung gegen den Irak — wohl um sich die finanzielle Unterstützung und Sympathien der Bagdad-Gegner für die Spiele zu sichern. Denn Geld haben die Chinesen bitter nötig.

Die KP hat für die Spiele in die Tasche greifen müssen: 530 Millionen US-Dollar kostet das Unternehmen, für das Sporthallen, Stadien, Hotels und ein ganzes olympisches Dorf errichtet wurden. Über hundert Millionen Dollar hatten dabei die Bürger aufzubringen. Spenden wurden da zur patriotischen Pflicht und zum großen Ärgernis, weil viele „Danweis“ (Arbeitseinheiten) von den Werktätigen Geld mit mehr oder weniger Zwang eintrieben. Trotz des Drucks füllten sich die Kassen nur langsam: Ausdruck, daß die Bürger über die Asien-Spiele längst nicht so begeistert sind, wie es die KP-Spitze in der Presse glauben macht. Denn viele halten das Unternehmen für so überflüssig wie eine Konkubiene im Eunuchenpalast. Das Geld, so die Stimmung unter den Bürgern, hätte für sinnvollere Projekte ausgegeben werden können — wo es doch im Gesundheits- und Bildungswesen zum Beispiel an allen Ecken und Enden kneift. Außerdem hatten die Pekinger ihre Genossen längst durchschaut, die die Extravaganz zur Selbstbeweihräucherung ihrer Organisationsfähigkeiten und zur Propaganda nutzen wollen.

Allerdings bürgt die zweiwöchige Asiade auch Gefahren. Wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz ausgeschlossen ist, daß Studenten und andere Regime-Kritiker die Gelegenheit beim Schopfe fassen, um vor ausländischen Fernsehkameras gegen die politische Unterdrückung zu demonstrieren.

Doch die Kommunisten, mittlerweile erfahren, Proteste mit Überpräsenz von Uniformierten im Keime zu ersticken, haben vorgesorgt: Militär und Polizei in der Hauptstadt sind verstärkt worden, Beamte in Zivil und Uniform sind in den Straßen unterwegs — auf der Suche nach staatsfeindlichen Umtrieben. Die Zufahrten nach Peking sind gesperrt, verdächtige Elemente festgesetzt oder aus der Stadt getrieben, Bürger dazu aufgerufen, nach zwielichtigen Personen Ausschau zu halten. Um einen „reibungslosen Ablauf der Spiele zu garantieren“ und vor allem um potentielle Täter abzuschrecken, haben die eifrigen Genossen von der chinesischen „Justiz“ einige kriminelle mehr als üblich zum Tode verurteilt.

„amnesty international“ registriert in den vergangenen Monaten einen Anstieg der Exekutionen. Seit Jahresbeginn seien in China mehr als fünfhundert Menchen hingerichtet worden. Die Gerichte seien angewiesen worden, die Urteile „schnell und streng“ zu fällen. Gleichzeitig sei die Skala der Delikte, auf die die Todesstrafe steht, im Rahmen der Kampagne gegen Wirtschaftskriminalität und „gesellschaftliche Laster“ ausgeweitet worden. Teilweise werden die Todesurteile auf „Massenversammlungen zur Aburteilung von Straftätern“ verkündet. Häufig ist die Teilnahme für Mitglieder ausgewählter Arbeitseinheiten obligatorisch. Die Exekution findet oft unmittelbar danach statt, berichtet amnesty. Reaktion des Pekinger Außenministeriums: „Verleumdung“.