Untergrund-Parlament proklamiert Republik

Belgrad (taz) — Große Aufregung herrschte gestern in Jugoslawien über eine angebliche „Unabhängigkeitserklärung“ der 1,9 Millionen Kosovo-Albaner. Die autonome Provinz Kosovo war Anfang Juli von der Republik Serbien aufgelöst worden. Die seit Jahren von Serbien betriebene Assimilierungs- und Unterdrückungspolitik gegenüber der albanischen Minderheit erreichte einen neuen Höhepunkt, als 125 albanische Abgeordnete des Kosovo- Parlaments als „Staatsfeinde“ etikettiert und ihrer Immunität beraubt wurden. Nun trafen sich die „beurlaubten“ Parlamentarier am letzten Wochenende heimlich und verabschiedeten eine Resolution über die „politische Souveränität des albanischen Volkes“. Sollte Jugoslawien als Bundesstaat zusammenbrechen und auf seinem jetzigen Territorium ein loser Staatenbund verschiedener Nationen entstehen, dann wollten sie eine „eigene Einheit innerhalb der Konföderation“ mit autonomen Rechten bilden, heißt es darin. Sollte Jugoslawien wie bisher als Vielvölkerföderation bestehen bleiben, poche man auf die Rückerlangung jener Rechte, die seit Jahren beschnitten würden. Schon lange verbreiten die Herrschenden in Belgrad das Gerücht, die Kosovo-Albaner wollten mit „Waffengewalt Jugoslawien ins Verderben stürzen“.

Beweise lieferten gestern erneut serbische Tageszeitungen. Unweit von Podujevo hätten am Vortag zwei albanische Terroristen das Feuer auf Polizisten eröffnet, diese hätten die Terroristen jedoch in Notwehr erschossen. Unterdessen verlautet aus der bosnischen Stadt Foča, 43 fanatische Serben und 9 fundamentalistische Moslems seien bei einer Straßenschlacht festgenommen worden. Dort herrsche nun der Ausnahmezustand. Roland Hofwiler