Zivildienstleistende weiter im Nachteil

Bundestag: Zwölf Monate Wehr- und 15 Monate Zivildienst/ SPD will Benachteiligung über den Bundesrat verhindern/ Argumentation zur längeren Zivildienstzeit nach wie vor brüchig  ■ Von Axel Kintzinger

Berlin (taz) — Kriegsdienstverweigerer müssen auch weiterhin wesentlich länger Dienst schieben als junge Männer, die sich für die Bundeswehr entschieden haben. 15 Monate Zivildienst und zwölf Monate Wehrdienst — das entsprechende Gesetz verabschiedete der Bundestag am Donnerstag abend mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gegen SPD und Grüne. Ein Änderungsantrag der Sozialdemokraten, der den zivilen Ersatzdienst auf 13 Monate beschränken wollte, fand keine Mehrheit.

In SPD-Kreisen zeigte man sich gestern einmal mehr enttäuscht über das Verhalten der FDP. Die Liberalen waren von ihren in den Wochen zuvor formulierten Ansprüchen abgewichen und beugten sich der Koalitionsdisziplin. Entsprechend harsch fiel denn auch die Kritik der SPD-Abgeordneten Renate Schmidt aus: „Dieser erneute Umfaller aus Koalitionsräson sollte allen betroffenen jungen Menschen deutlich machen, daß ihre Interessen mit Sicherheit von der FDP nicht vertreten werden.“ Der Bremer Justizsenator Volker Kröning (SPD) findet die verabschiedete Vorlage der Bundesregierung gar „ignorant und zynisch“. Ignoranz zeige sich hinsichtlich der aktuellen Abrüstungsverhandlungen und des sich verschärfenden Pflegenotstandes, zynisch sei der „instrumentelle Umgang mit den betroffenen Menschen“.

Bremen hatte im Bundesrat erreicht, daß die Mehrheit der Länderkammer sich gegen einen längeren Zivildienst sowie gegen die Fortführung der Gewissensprüfung von Kriegsdienstverweigerern aussprach. Wenn sich in der nächsten Bundesratssitzung am 21. September im Bundesrat eine Mehrheit dafür findet, soll das Thema in den Vermittlungsausschuß geschickt werden. Derzeit streiten Verfassungsjuristen aber noch darüber, ob die Länderkammer bei diesem Gesetz zustimmungsberechtigt ist.

Die Regierungskoalition begründet ihre Meinung mit den zentralen Punkten des Bundesverfassungsgerichts-Urteils von 1978. Doch die Grundlagen der derzeitigen Entscheidung haben sich nach Auffassung von SPD und Grünen sowie der Zivildienstorganisationen erheblich geändert. So wird der längere Zivildienst mit den Wehrübungen begründet, die Soldaten auch nach Ablauf ihrer Dienstzeit zu leisten haben. Allerdings: Soldaten werden durchschnittlich nur 3,5 Tage zu solchen Übungen einberufen. Ein weiterer Grund war die Dienstbereitschaft, in der Soldaten sich in Krisenfällen halten müssen. Aber: Der letzte Krisenfall liegt 22 Jahre zurück — es war der Einmarsch von Warschauer Vertragstruppen in die CSSR. Auch die bei der Bundeswehr vermutete, längere Arbeitszeit hat sich nach genauen Berechnungen nicht halten lassen.

Und auch dem vierten Standbein der Regierungsargumentation können SPD und Grüne nicht folgen: Daß der Dienst bei der Bundeswehr wegen der zwangsweisen Uniformierung und der Kasernierung härter sei als der Zivildienst, könne angesichts der großen Belastungen vor allem im Pflegebereich niemand mehr behaupten.

Das SPD-regierte Bremen zieht die Konsequenz daraus insofern, als man an der Weser — in Abstimmung mit den anderen SPD-Ländern — einen neuerlichen Gesetzantrag zur Gleichstellung von Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden erarbeiten will. Renate Schmidt kündigt schon jetzt kategorisch an: „Die Fortdauer der Benachteiligung wird es mit der SPD nicht geben.“