Verkehrte Atom-Welt

■ Kritiker gibt Tschernobyl-Entwarnung nach Rissen im Reaktor/ Befürworter warnt vor Verseuchung

Berlin (taz) — Der Münchner Atomkritiker und Strahlenexperte Professor Edmund Lengfelder hat Befürchtungen zurückgewiesen, Risse im Betonmantel („Sarkophag“) um den zerstörten Reaktor in Tschernobyl könnten in eine zweite Atomkatastrophe münden. Der „Strahlenpegel in unmittelbarer Umgebung“ des Reaktors sei zwar erhöht. Es werde jedoch auch dann kein „Zweites Tschernobyl“ geben, wenn der Deckel weiter aufbreche, erklärte Lengfelder. Der Sarkophag sei aufgrund falscher statischer Berechnungen ins Wanken geraten und solle mit einem zweiten Betonmantel geschlossen werden.

Vor wenigen Wochen hatte dagegen Professor Alexander Kaul vom Bundesamt für Strahlenschutz (der der Atomgegnerschaft nicht verdächtig ist) vor einer erneuten schweren Verseuchung mindestens der Umgebung der Reaktorruine gewarnt. Wenn das Dach des Sarkophags in die noch heiße Asche des Reaktors stürze, werde die dabei entstehende Staubwolke große Mengen radioaktiver Stoffe enthalten, sagte Kaul.

Der Strahlenexperte hielt es ausdrücklich für denkbar, daß in diesem Fall bei „günstiger“ Windrichtung auch die Meßgeräte in Deutschland erneut ausschlagen. Gero